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Aktuelle Pflege- und Betreuungsprojekte

Community Nursing in Österreich

Aufgrund der demografischen Entwicklung kommt es zu einem wachsenden Bedarf an Pflege- und Betreuungsdienstleistungen, sodass eine neu strukturierte und optimierte Versorgung notwendig ist. In den kommenden Jahren gilt es, die Pflege- und Betreuungsangebote zudem vermehrt auf die Bedürfnisse der Menschen abzustimmen. Notwendig ist es auch, verstärkt präventiv tätig zu werden, um die Selbsthilfe- und Gesundheitskompetenz zu stärken.

International etabliertes Berufsfeld

Mit Community Nursing soll ein international bereits etabliertes Berufsfeld für die Gesundheits- und Krankenpflege in Österreich erschlossen werden, um die Kompetenzen und die Expertise von Gesundheits- und Krankenpflegepersonen maximal zu nutzen. Dazu wird in Österreich im bestehenden berufsrechtlichen Rahmen eine neue Dienstleistung erprobt und in bestehende Strukturen eingebettet. Im § 12 Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG) wird die gemeinde- und bevölkerungsnahe Pflege explizit genannt. Der Fokus richtet sich dabei auf Einzelpersonen und Familien, aber auch auf Bevölkerungsgruppen sowie die Anforderungen an ein sich ständig änderndes Gesundheitssystem. Das bereits bestehende Leistungsangebot wird mit diesem „neuen“ Schwerpunkt ergänzt, um die Förderung der Gesundheitskompetenz, Gesundheitsförderung und Prävention gemäß GuKG §14 Abs.2 als pflegerische Kernkompetenz bevölkerungswirksam anbieten zu können.

Ziel der Pilotprojekte

Seit Anfang 2022 wird mit diesem Hintergrund in Österreich Community Nursing im Rahmen von Pilotprojekten implementiert. Im Mittelpunkt stehen sog. Community Nurses – diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonen mit mindestens zweijähriger Berufserfahrung, die präventiv und gesundheitsfördernd tätig sind und das neue Versorgungsangebot leicht zugänglich machen. Zu den Zielgruppen zählen vor allem ältere, zu Hause lebende Menschen mit drohendem oder bestehendem Informations‐, Beratungs‐, Pflege‐ und/oder Unterstützungsbedarf sowie pflegende bzw. betreuende Angehörige und Personen ab dem 75. Lebensjahr vor dem Eintreten einer etwaigen Pflegebedürftigkeit. Je nach regionalem Bedarf kann die Zielgruppe begründet erweitert werden.1

Die Rolle der Community Nurses in den laufenden Pilotprojekten: Sie …

  • sind die zentrale Anlaufstelle für Fragen zu Pflege und Gesundheit,

  • führen präventive Hausbesuche durch,

  • sind niedergelassen und aufsuchend tätig,

  • informieren und beraten,

  • erheben die aktuelle Versorgungssituation,

  • stellen fest, welche Unterstützung benötigt wird und

  • koordinieren und vermitteln zusätzliche Angebote.

Finanzierung und Fördercall

Die Pilotprojekte zu Community Nursing werden aus Mitteln der Europäischen Union entsprechend dem Österreichischen Aufbau‐ und Resilienzplan (ARP) finanziert und großflächig umgesetzt. Die Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) ist einerseits mit der Abwicklung der Förderungen (Geschäftsbereich Fonds Gesundes Österreich) und andererseits mit der inhaltlichen Begleitung der Pilotprojekte betraut.

„Im Rahmen eines Fördercalls von Oktober bis Dezember 2021 hatten Städte, Gemeinden und Sozialhilfeverbände die Möglichkeit, sich für eine Förderung zu bewerben“, erklärt Linda Eberle, BSc, von der Abteilung Langzeitpflege der GÖG. „Anfang 2022 wurden die ersten Fördervereinbarungen abgeschlossen, mit September 2022 konnten 115 Projekte mit der Umsetzung starten.“ Ursprüngliches Ziel war es, 150 Community Nurses zu etablieren: „Dieses Ziel wurde bereits übertroffen. Derzeit können mehr als 180 Vollzeitäquivalente, was laut Förderansuchen in etwa 275 Personen entspricht, für den Projektzeitraum gefördert werden“, so Eberle (Abb. 1, Stand 1.9.2022).

© GÖG

Abb. 1: Die 115 Pilotprojekte zu Community Nursing in Österreich

Niederschwellige und klimaschonende Umsetzung

Eine Besonderheit von Community Nursing stellt die starke Gemeindeorientierung dar. Eberle: „Durch die gemeindenahe Ansiedelung der Community Nurses können die verschiedenen Leistungen äußerst niederschwellig angeboten und in der Folge auch Bevölkerungsgruppen erreicht werden, die durch andere Angebote nicht lückenlos abgedeckt werden.“

Dabei nützen die Community-Nursing-Projekte auch die Möglichkeiten der E-Mobilität, um den klimaschonenden und innovativen Verkehr in der Gemeinde zu fördern. Community Nurses sind im Rahmen ihrer aufsuchenden Tätigkeit auf Individualverkehr angewiesen, daher wird im Rahmen der gegenständlichen Sonderrichtlinie eine entsprechende Förderung für E-Autos und E-Bikes geschaffen.

Das Pilotprojekt in Zahlen

Das Zielgebiet pro Community Nurse (Vollzeitäquivalent) umfasst eine Gesamteinwohnerzahl von 3000 bis 5000 Personen.

Die Details zum Projekt:

  • Investition durch den EU-Aufbauplan: 54,2 Millionen Euro

  • 2021: Vorbereitungsphase, Fördercall

  • 2022 bis 2024: Laufzeit der Projekte, Umsetzungsphase

  • Begleitende externe Evaluierung

  • Federführendes Ressort: Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK)

  • Abwicklungsstelle: Gesundheit Österreich GmbH (GÖG); Fördermanagement und inhaltliche Begleitung

  • 145 Anträge wurden eingereicht.

  • 115 Projekte konnten in allen Bundesländern mit der Umsetzung starten (Stand 1.9.2022).

  • 94 E-Autos und 35 E-Bikes können gefördert werden und helfen damit, umweltfreundliche Mobilität der Community Nurses umzusetzen.

  • Finanziert werden die Pilotprojekte durch die europäischen Union im Rahmen Recovery and Resilience Facility (RRF).

Bericht: Mag. Andrea Fallent

Quelle:

Abteilung Langzeitpflege der Gesundheit Österreich GmbH

Literatur:

1. https://cn-oesterreich.at/ ; zuletzt aufgerufen am 6. 9. 2022
2. https://cn-oesterreich.at/aktivitaeten/dokumente-und-literatur ; zuletzt aufgerufen am 6. 9. 2022





Der Begriff „Community Nursing“

Die Begriffe „Community Nursing“ und „Community Health Nursing“ werden international nicht einheitlich verwendet, die Ausgestaltung hängt stark von den nationalen Gegebenheiten ab. „Community Health Nursing“ ist ein Spezialgebiet, das häufig mit einer Erweiterung des Kompetenzbereichs einhergeht. „Community Nursing“ hingegen wird international häufig als Dienstleistung, die zu Hause oder wohnortnah angeboten wird, verstanden. Die Pilotprojekte in Österreich gehen darüber hinaus einen eigenen Weg, der Ansätze von „Community Nursing“ und „Community Health Nursing“ vereint. Der stark gesundheitsfördernde und gruppenorientierte Ansatz stellt ein neues, zusätzliches Angebot dar, das bisher noch wenig Beachtung gefunden hat.2





Das Experten-Interview

5 Fragen an:
© Ruediger Ettl, www.ettl.biz

Linda Eberle, BSc
Abteilung Langzeitpflege
Gesundheit Österreich GmbH
E-Mail: linda.eberle@goeg.at
Web: www.goeg.at

Wie sieht die Ausbildung/Vorbereitung der Community Nurses für die österreichweiten Pilotprojekte aus?

L. Eberle: Alle Community Nurses sind diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonen mit mindestens zwei Jahren Berufserfahrung. Wir schulen zusätzlich noch projektspezifische Inhalte. Prinzipiell liegt die Projektumsetzung aber in der Eigenverantwortung der Pflegepersonen.

Welche konkreten Aufgaben umfasst die Tätigkeit der Community Nurses in den Projekten?

L. Eberle: Die Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) hat ein Aufgaben- und Rollenprofil entwickelt, das an ein internationales theoretisches Modell angelehnt ist und für Österreich adaptiert wurde. Das Aufgabenprofil ist relativ breit angesetzt. Auf den ersten Blick wirken die Projekte ähnlich, die Schwerpunkte sind aber sehr individuell gesetzt. Die Hauptbereiche umfassen Monitoring und Erhebung, Information, Beratung und Edukation, aber auch Koordination und Vernetzung sowie Fürsprache und Interessenvertretung, deren Ausgestaltung regional individuell erfolgen kann.

Können Sie einige Schwerpunkte bzw. Beispiele der 115 Projekte nennen?

L. Eberle: Der überwiegende Teil der Projekte setzt Schwerpunkte gemäß Fördercall und fokussiert auf Gesundheitsförderung und Prävention in der primären Zielgruppe der älteren Menschen. Vielfach liegt der Arbeitsschwerpunkt jedoch auf Koordination, Vernetzung und Maßnahmen zur Erhöhung der Gesundheitskompetenz und der sozialen Teilhabe. Es werden aufgrund des regionalen Bedarfs teilweise weitere Zielgruppen ins Auge gefasst, wie zum Beispiel die Zielgruppe Menschen mit Suchterkrankungen oder Menschen mit Migrationshintergrund. In anderen Projekten wird ein starker medizinisch-diagnostischer Schwerpunkt gesetzt, aber es sind auch Projekte in Umsetzung, die den Schwerpunkt auf Schulgesundheit setzen oder bei Primärversorgungszentren angesiedelt sind. Die genannten Projektschwerpunkte sind beispielhaft und stellen den Stand der Antragstellung dar, nähere Informationen zu den gesetzten Schwerpunkten werden in den nächsten Monaten erwartet. Die Website www.cn-oesterreich.at bietet eine Auflistung aller Projekte. Zukünftig werden diese Informationen um Projektbeschreibungen, Schwerpunkte, Erfahrungsberichte und Kontaktmöglichkeiten ergänzt.1

Wie werden die Projekte evaluiert?

L. Eberle: Es erfolgen eine engmaschige Begleitung und ein Projektmonitoring durch die GÖG, die Gesamtevaluierung übernimmt die FH Kärnten. Wir erwarten uns dazu u.a. Aussagen zu den ökonomischen Aspekten, die in der politischen Entscheidung für eine Weiterführung relevant sein könnten.

Wird der Einsatz von Community Nurses nach Abschluss der Projekte fortgeführt?

L. Eberle: Die Förderung der Projekte ist bis Ende 2024 gesichert. Der Zeitplan der Evaluierung lässt es zu, dass Entscheidungsträger bis dahin Aussagen zur Weiterentwicklung bzw. Weiterführung der Projekte treffen können.

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