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Allergie im Zyklus der Jahreszeiten

Die Hausstaubmilbenallergie

Die niedrigeren Temperaturen führen dazu, dass die Indoor-Allergene wie Tierhaare, Schimmelpilze und Hausstaubmilben, wobei Letztereambedeutendstensind, bei Allergikern wieder in den Mittelpunkt rücken. Vorab wichtig: Diese Parasiten gibt es in jedem Haushalt, ihr Vorkommen hat nichts mit gutem oder schlechtem Reinigen zu tun, sondern wird von Luftfeuchtigkeit, textiler Inneneinrichtung, geografischer Lage sowie durch das Zusammenleben von Mensch und Tier beeinflusst.

Zugrundeliegende Mechanismen

Wenn man unter Allergie eine IgE-vermittelte Überempfindlichkeitsreaktion auf körperfremdes Eiweiß versteht, so sind es bei der Milbenallergie nicht die Spinnentiere per se, sondern deren mikroskopisch kleine Kotbällchen, die sich mit dem ortsüblichen Staub vermengen und die Schleimhaut reizen bzw. allergische Reaktionen mit Histaminfreisetzung hervorrufen. 1g Hausstaub enthältbis zu 100000 der achtbeinigen Parasiten.

Zielorgane Atemwege und Haut

Eine überschießende Histaminfreisetzung ruft die bekannten Symptome hervor: Juckreiz, Rötung, Schwellung und Sekretproduktion. Erwachen in der Früh mit Niesreiz oder Nasenfluss, behinderte Nasenatmung, was zu Schnarchen sowie Atmung mit offenem Mund führt, Reizhusten und beklemmende Asthmaanfälle sind typische Anzeichen; auch geschwollene Lider oder gerötete Augen weisen auf eine allergische Irritation hin.

Dabei sind die Atemwege und die Haut die Zielorgane, die als innere und äußere Oberflächen reagieren. Der Zusammenhang zwischen Rhinitis und Asthma ist Allergologen unter dem Begriff „one airway – one disease“ vertraut und erfordert die fächerübergreifende Zusammenarbeit von HNO-Fachärzten und Pulmologen einerseits mit den Kinderfachärzten und Allgemeinmedizinern andererseits. Es gilt insbesondere den Etagenwechsel von den oberen in die unteren Atemwege zu verhindern.

Allergische Reaktionen auf Hausstaubmilben begünstigen durch die anhaltende Indoor-Belastung die Ausbildung einer chronischen Rhinosinusitis und durch die Schwellung der Rachenschleimhaut die Ausbildung von Otitis media bzw. eines Paukenergusses, insbesondere bei Kindern. Zusätzlich – in Covid-19-Zeiten ist dies eine wichtige Differenzialdiagnose – kann eine Verschlechterung des Geruchssinnes eintreten.

Ebenso sind die Dermatologen Teil des Behandlungsteams, denn gerade in der kalten Jahreszeit trocknen die Oberflächen bei geringer Luftfeuchtigkeit aus und eine schubhaft verlaufende atopische Dermatitis verschlechtert sich zusätzlich unter der allergischen Reizung durch Hausstaubmilben: Juckreiz und Kratzeffekte,möglicherweise mit Superinfektionen, sind die Folge.

Diagnose

Eine ausführliche Anamnese, die jeder behandelnde Arzt erheben kann, weist die Richtung, der Skin-Prick-Test (zumeist mit den Extrakten der Milbenspezies Dermatophagoides pteronyssinus und Dermatophagoides farinae) ist rasch aussagekräftig, die Bestimmung von speziellen IgE-Antikörpern und der rekombinanten Allergene dient der Vorbereitung einer allergenspezifischen Immuntherapie (AIT). Selten kann bei typischen Symptomen, aber anhaltend negativen Testergebnissen die Durchführung einer nasalen Provokation in einem spezialisierten Zentrum erforderlich sein.

Auslöser meiden Auslöser zu meiden kann bedeuten, dass:

  • Teppichböden durch leicht wischbare Holzböden ersetzt werden,

  • statt stoffbezogener Polstermöbel Lederoberflächen gewählt werden,

  • Vorhänge und Stoffbezüge im Schlafzimmer aus waschbaren Textilien bestehen,

  • auf Haustiere verzichtet wird, damit diese nicht zusätzliche Nahrungsquellen für die Hausstaubmilben liefern,

  • alle Betten eines Haushaltes einer Milbensanierung unterzogen werden müssen, da Kinder oftmals ins Bett der Eltern schlüpfen.

Außerdem haben sich bewährt:

  • regelmäßiges Lüften

  • Raumtemperatur im Schlafbereich unter 22°C

  • moderate Luftfeuchtigkeit unter 50%

  • Licht und Helligkeit

  • das Waschen der Betttextilien mit mehr als 60°C

  • das maschinelle Trocknen von waschbaren Polstern und Decken

Zahlreiche Hersteller bieten waschbare und atmungsaktive Encasings für Matratzen, Pölster und Decken an, um das Verwirbeln von Milbenstaub zu verhindern. Insbesondere bei Übernachtungen auswärts ist zumindest ein milbendichter Kopfpolsterbezug anzuraten.

Die Anwendung von Acariziden in Form von Waschzusätzen und Sprühlösungen ergänzt die Reinigungsmaßnahmen ebenso wie der Einbau und das regelmäßige Wechseln eines sogenannten HEPA-Filters im Haushaltsstaubsauger; Alternativen sind moderne UV-Licht-Sauger oder Nass-Staubsauger, wobei feucht zu wischen dem Saugen vorzuziehen ist.

Für Kuscheltiere bewährt sich das Einfrieren für mehr als 24 Stunden vor dem Waschen; für Teppiche oder größere Textilien ist das Ausnützen von klirrender Winterkälte eine gute Möglichkeit, denn die Milben sind zwar gegen Hitze widerstandsfähig, gegen Kälte jedoch sehr empfindlich.

Antiallergisch und antientzündlich

Die notwendige Behandlung der Symptome erfolgt nach dem bewährten Prinzip der Kombination von modernen Antihistaminika (H1-Blocker der 3.Generation wie Desloratadin, Levocetirizin oder Fexofenadin) mit Augentropfen, Nasenspray und Lungentherapie (ICS/Betamimetikum) je nach Ausprägung der Symptome und unter Beachtung der ARIA- und GINA- Guidelines. So wichtig die Behandlung des jeweiligen Zielorgans ist, so wichtig ist die Betrachtung der Allergie als Multiorganerkrankung; die Kombination mehrerer Medikamente erfordert eine umfassende Aufklärung über die ergänzende Wirkung, um das Verständnis und die Compliance vor allem bei jüngeren Patienten zu erhalten.

Die allergenspezifische Immuntherapie (AIT) in Form der subkutanen (SCIT) oder der sublingualenImmuntherapie(SLIT) ist die einzig kausale Behandlungsmöglichkeit der Milbenallergie. Seit Inkrafttreten der Therapieallergene-Verordnung (TAV) im Jahr 2008 (Ende der Umsetzungsfrist 2018 aufgrund von EU-Rechtsbestimmungen) erfolgte eine massive Veränderung in den Zulassungsbestimmungen der bislang individuell hergestellten Therapieallergene, sodass die Zahl der Extrakte zur Immuntherapie gegen Hausstaubmilben wesentlich reduziert und in ihren Komponenten besser vergleichbar wurde.

Als Impfstoffe für die Subkutantherapie sind an Aluminium oder Tyrosin adsorbierte Extrakte (Semidepotpräparate) oder an Aluminiumhydroxid adsorbierte und chemisch modifizierte Allergoide verfügbar. Die Mehrzahl der Präparate für die Subkutantherapie sind Allergoide, hingegen sind die Sublingualpräparate überwiegend Extrakte (Tab.1).

Gefahr unerwünschter Nebenwirkungen im Rahmen der Immuntherapie droht bei SCIT und SLIT in gleichem Maße in Form vonunkontrolliertem Asthma, wobei sowohl die ganzjährige Allergenexposition als auch Infektexazerbationen bedeutsam sind.

Tab. 1: Folgende Produkte sind in Österreich in Verwendung (ohne Anspruch auf Vollständigkeit).

Hausstaubmilbenallergie und Infektneigung

Wenn Allergie als eine Sonderform einer generalisierten Entzündungsreaktion verstanden wird, dann ist besonders in der kalten Jahreszeit der wechselseitige Trigger von Infekt und Allergie bedeutsam: Allergiker mit gereizten, empfindlichen Schleimhäuten sind anfälliger für die zusätzliche Infektion durch Bakterien und Viren; umgekehrt heilen die Infekte langsamer aus wegen der chronischen Entzündung der Oberflächen.

Daher ist auch der Impfschutz gegen Influenza und Pneumokokken anzuraten, um impfpräventable Erkrankungen als zusätzlichen Risikofaktor zu verhindern.

Bisher gibt es keinen Anhaltspunkt, dass Allergiker ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung haben. Umgekehrt bedeutet ein unbehandeltes oder unkontrolliertes Asthma bronchiale als Folge einer Allergie ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf einer SARS-Cov-2-Infektion, was nahelegt, dass eine konsequente und optimierte Allergiebehandlung wichtig und auch in Zeiten eingeschränkter Arzt-Patienten-Kontakte unbedingt anzustreben ist.

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