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Hausärzte

Die Zehnkämpfer der Medizin

Hausärzte stehen ständig im Spannungsfeld unterschiedlicher Sichtweisen und Interessen und haben unzählige Herausforderungen zu meistern. Während sie in der Bevölkerung sehr beliebt sind und höchstes Vertrauen genießen, werden sie bei den Krankenkassen seit Jahren oft nur mehr mit dem neuen Terminus „GDA“ (= Gesundheitsdienstanbieter) und sekundär als „Kostenverursacher“ definiert.

Vonseiten der Spitäler ist der zunehmende Trend zu verzeichnen, die dort angestammten Routinearbeiten wie (Nach-)Kontrollen, Überweisungen, Rehabilitations-Ansuchen und Befundbesprechungen in die Hausarztpraxen zu verschieben.

Arbeiten und/oder leben?

Das traditionelle Modell des Hausarztes ist derzeit eher ein Auslaufmodell. Während für die Generationen davor „work“ stets ein Teil von „life“ war, werden diese heutzutage als „Work-Life-Balance“ streng bilanzierend einander gegenübergestellt. Das Ertragen extrem hoher Arbeitsbelastungen mit tatkräftiger Unterstützung des Ehepartners in der Ordination findet kaum mehr Fortsetzung in der Zukunft.

Unsere jungen Kollegen der nachrückenden Generation tendieren dazu, sich auf andere Aspekte wie vordergründig wirtschaftliche Sicherheit durch abgesteckte Rahmenbedingungen sowie Arbeit im Team, dafür aber mehr Zeit für Familie und Privatleben, zu fokussieren.

Auch die demografische Entwicklung setzt das Hausarztwesen unter Druck. Einer absinkenden Anzahl von Kassenärzten stehen steigende Bevölkerungszahlen und zunehmende Überalterung der Bevölkerung gegenüber. Der exponentielle Anstieg des medizinischen Wissens und der dabei zu berücksichtigenden Entscheidungsgrundlagen in Diagnose und Therapie stellt die niedergelassenen Allgemeinmediziner vor zusätzlich große Herausforderungen und Anforderungen.

Problemfelder

Zudem ist die Arbeitsintensität im „nicht ärztlichen“ Bereich fulminant angestiegen. Die bürokratischen Auswüchse haben massiv zugenommen. Tägliche Belastungen, wie sie die Registrierkasse oder immer wiederkehrende Computerprobleme darstellen, erschweren unser Dasein massiv. Hygieneverordnung, Datenschutzgrundverordnung (DGVO), Arzneimittelsicherheitsverordnung (AMVS) sowie strengere Auflagen hinsichtlich Personalführung und Arbeitsaufzeichnungen tragen das Ihre dazu bei und führen uns ständig schmerzlich vor Augen, dass der Tag leider nur 24 Stunden hat. Grundtendenzen, wie das Ausfüllen von immer mehr Formularen online und Diskussionen mit Chefärzten der Krankenkassen über Ablehnungen von Bewilligungsanträgen oder Streichungen von Medikamenten im häufig einstelligen Eurobereich, sorgen für zusätzliche Pikanterie. Vielfältige Veränderungen im technischen Bereich, in der medizinischen Arbeitswelt, in der Gesetzgebung, in der Sichtweise von Politik und Betriebswirtschaft auf Belange der Medizin fordern Anpassungsfähigkeit und Flexibilität.

Auch die Entscheidungsfreiheit im Rahmen der ärztlichen Berufsausübung wird von allen Seiten beschnitten und intensiv reglementiert. Viele ältere Mediziner unter uns erkennen den Beruf, den sie vor vielen Jahren mit Enthusiasmus ergriffen haben, kaum noch wieder.

Zudem wird die Medizin zusehends weiblich. Dies bringt hohe Belastungen für die Kolleginnen mit sich, da die traditionellen Aufgaben und Rollenverteilungen der Frauen wie Kindererziehung, Haushalt, Partnerschaft usw. häufig zusätzlich geschultert werden müssen.

Kassenarzt oder doch lieber Pharmaindustrie?

Wen wundert es also, dass immer mehr Kassenstellen unbesetzt bleiben?

Wir sehen eine gesteigerte Bereitschaft von Kolleginnen und Kollegen, das Kassensystem zu verlassen. Dies vollzieht sich entweder in einem Wechsel ins Wahlarztsystem oder auch in einer früheren Pensionierung als Angleichung an die ansonsten österreichweit niedrigeren Durchschnittszahlen (<65. Lebensjahr). In manchen Fällen wird die praktische Medizin als berufliches Betätigungsfeld sogar völlig verlassen und der Weg in Richtung benachbarter Strukturen (z.B. Pharmaindustrie, Management, Qualitätssicherung usw.) beschritten.

Es ist auch ein intensiver Trend zu beobachten, dass benachbarte Berufsgruppen wie die Apotheker zunehmend versuchen, traditionell hausärztliche Bereiche zu übernehmen, und sich diesbezügliche Kompetenzen aneignen wollen.

Zukunftsperspektiven

Durch all die beschriebenen Spannungsfelder stehen die Hausärztinnen und Hausärzte auf allen Seiten unter Druck. Da sich die Situation nicht bessern, sondern noch weiter verschärfen wird, wird das klassische, von den Patienten so geschätzte Hausarztmodell in seiner jetzigen Form vermutlich nicht mehr lange existieren.

Dabei wird häufig übersehen, dass dieses Berufsbild in seinem einzigartigen Spektrum immer noch sehr reizvoll und sowohl menschlich als auch medizinisch erfüllend ist. Nicht umsonst ist der Hausarzt als Zehnkämpfer der Heilkunde in der weiten medizinischen Landschaft anzusehen!

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