© phototechno iStockphoto

Herausfordernde Gespräche

Gesprächsqualität im Gesundheitssystem

Das ärztliche Gespräch stellt nicht nur ein Mittel zur Informationsweitergabe dar. Es ist ein essenzielles Werkzeug für Ärzte im Umgang mit Patienten. Um die Gesprächsqualität in der Krankenversorgung zu verbessern, wurde 2016 im Auftrag der Bundeszielsteuerungskommission eine bundesweite Strategie dafür entworfen – mit fachlicher Unterstützung durch die Gesundheit Österreich GmbH (GÖG). Eine repräsentative Bevölkerungsbefragung hat den Ist-Zustand dazu in der österreichischen Gesundheitslandschaft erhoben: Dabei gaben 22% der Befragten an, Schwierigkeiten dabei zu haben, das vom Arzt Gesagte zu verstehen. Weitere 32% vertraten die Meinung, dass sie mit den Informationen aus dem Gespräch mit ihrem Arzt so überfordert seien, dass sie keine Entscheidungen über ihre Krankheit bzw. Gesundheit treffen könnten.1 Nach der HLS19(European Health Literacy Population Survey 2019-2021)-Studie liegt die Herausforderung für Ärzte v.a. darin, ihr Gegenüber aktiv in das Gespräch einzubinden.2 Dazu zählen Gesprächsfaktoren wie eine ausreichende Gesprächszeit, eine verständliche Sprache, das Einholen von persönlichen Ansichten und Vorstellungen des Patienten, aktives Zuhören und die Beteiligung des Patienten an Entscheidungen.

Strategieder Bundeszielsteuerungskommission

Um die Gesprächsqualität im Gesundheitssektor zu verbessern, beschloss die Bundeszielsteuerungskommissionmit fachlicher Begleitung durch die GÖG an drei Ebenen im Gesundheitssystem anzusetzen: 1. an individuellen Personen, 2. an Gesundheitseinrichtungen und 3. am Gesundheitssystem selbst. Gerade bei Gesundheitsfachkräften, ergo auch bei Ärzten, geht es dabei um die Kompetenzerweiterung in guter Gesprächsführung in der Aus-, Weiter- und Fortbildung (Mitarbeiter-Empowerment). Darüber hinaus muss aber auch bei den Patienten selbst angesetzt werden, um ihre aktive Beteiligung an ihrer Gesundheitsversorgung zu stärken (Stichwort: Patienten-Empowerment), bspw. indem sie ermutigt werden, im Gespräch mit ihrem Arzt für sie wichtige Fragen zu stellen. Patienten-Empowerment hatdemnach die aktive Beteiligung von Patienten an ihrer Gesundheitsversorgung zur Folge. Die etablierten Strategien setzen nicht nur am direkten Patientengespräch an. Sie sehen auch Anpassungen in der Organisation und in Prozessen in Gesundheitseinrichtungen vor und sollen für eine gute ärztliche Gesprächsführung förderlich sein.3

Was ist gute Gesprächsqualität?

Zentrales Qualitätsmerkmal des ärztlichen Gesprächs ist die patientenzentrierte Gesprächsführung. Sie hilft nicht nur, eine Beziehung zum Patienten aufzubauen, sondern bietet Möglichkeiten, wie das Arzt-Patienten-Gespräch strukturiert werden kann. Wichtige Bestandteile sind dabei, dem Patienten zuzuhörenund Verständnis für seine Patientenperspektive zu zeigen. Jedem Patienten muss individuell die richtige Menge und Art an Informationen vermittelt werden. „Durch Einsatz spezieller Kommunikationstechnikenwird eine gemeinsame Verständnisebene von Arzt und Patient im Zuge des Gesprächs erreicht und der Patient kann sich im Anschluss an Gesprächsinhalte besser erinnern“, so Dr. Marlene Sator, fachliche Leitung des Schwerpunkts für Gesprächsqualität in der Krankenversorgung beider GÖG. Auf dieser Basis ermöglicht der Arzt dem Patienten im Sinne des Patienten-Empowerment, mit ihm gemeinsam eine Entscheidung über das weitere Vorgehen zu treffen.4

Welchen Nutzen hat patientenzentrierte Gesprächsführung?

In schwierigen Gesprächssettings, in denen der Arzt u.a. mit starken Emotionen von Patienten umgehen können muss, helfen ihm oft gute kommunikative Fertigkeiten. Auch das Überbringen schlechter Nachrichten – meistens unter Zeitdruck – zählt zu diesen Herausforderungen. Eine strukturierte Herangehensweise an solche Gespräche kann die Arbeit in Gesundheitsberufen nicht nur stark entlasten, sondern hat auch den Nutzen, die Patientenzufriedenheit zu steigern. Ein Patient, der sich verstanden fühlt, kann leichter zu mehr Mitarbeit motiviert werden (Adhärenz). Patientenzentrierte Gesprächsführung trägt zu einer erhöhten diagnostischen Genauigkeit bzw. zu verbesserten Behandlungsergebnissen bei. Indirekt bestehen auch Vorteile für die Klinik als Arbeitgeber und den Arzt als Mitarbeiter. Effektive Kommunikationsstrategien tragen zurArbeitszeiteffizienz bei und reduzieren Kosten im Gesundheitssystem sowie die Anzahl an medizinisch-juristischen Klagen. Allem voran steigern sie auch die Arbeitszufriedenheit von Ärzten.3

Workshop: herausfordernde Patientengespräche

Im Berufsalltag befinden sich Ärzte oft in schwierigen Situationen. In Impuls-Workshops zu anspruchsvollen Patientengesprächen setzt das Trainernetzwerk der ÖPGK (Österreichische Plattform Gesundheitskompetenz) direkt an den kommunikativen und klinischen Herausforderungen des beruflichen Alltags in Gesundheitsberufen an. Anhand von Übungen mit professionellen Schauspielern als Patienten kann ausprobiert werden, welche Gesprächstechniken wie beim Patienten ankommen. Ziel ist es, Impulse zu vermitteln und hilfreiche und praktische Methoden für schwierige Patientengespräche zu erarbeiten. Bei der Workshopgestaltung stehen verschiedene Fokusthemen zur Verfügung: Hier kann der Fokus u.a. auf den verärgerten Patienten oder auf das Überbringen schlechter Nachrichten bzw. auf die Patientenmotivation u.v.m. gelegt werden.

Covid-19 und Telemedizin

Gerade in Zeiten der Pandemie und zunehmender Telemedizin ist es besonders wichtig, dass Ärzte Techniken der Gesprächsführung, die auch in Live-Patientengesprächen angewendet werden, einsetzen. Die körperliche Präsenz sowie im Falle von Telefongesprächen der Blickkontakt und die nonverbale Kommunikation fallen als Kommunikationsmittel weg. Das Trainernetzwerk der ÖPGKstellt einen Leitfaden zu Telekonsultationen auf seiner Webseite zur Verfügung: https://oepgk.at/gute-gespraechsqualitaet-corona-und-telemedizin/#_edn2 .

Das Angebot – an wen wenden?

Bisher war es für interessierte Gesundheitseinrichtungen nicht einfach, qualifizierte Trainer und qualitätsgesicherte Fortbildungen in guter Gesprächsführung zu finden. Aus diesem Grund wurde durch die ÖPGK das oben erwähnte bundesweite Trainernetzwerk aufgebaut, welches derzeit 34 erfahrene Kommunikationstrainer umfasst. Ab Mitte 2022 wird sich das Netzwerk sogar auf über 40 Trainer ausweiten, die alle im Rahmen eines umfangreichen Trainerlehrgangs auf Basis von internationalen Standards von EACH (International Association for Communication in Healthcare) und der ÖPGK ausgebildet wurden. „Das ÖPGK-Trainernetzwerk bietet Impuls-Workshops, Kommunikationstrainings und Online-Trainings für Gesundheitsberufe an, die für verschiedene Arbeitsbereiche gestaltet sind. Dazu zählt u.a. Kommunikationstraining in den Bereichen der stationären Rehabilitation,der Onkologie, des Krankenhausesund der Primärversorgung“, wie Sator ausführte.

Conclusio

Aktuell haben bereits einige nationale Einrichtungen an Kommunikationstrainings nach ÖPGK-tEACH-Standard teilgenommen – darunter Einrichtungen unterschiedlicher Sozialversicherungsträger sowie Kliniken und Universitäten, wie das AKH Wien, das LKH Graz, das Tumorzentrum Oberösterreich, die Karl Landsteiner Privatuniversität Krems, die Medizinische Universität Wien und die Fachhochschule Campus Wien. Patientenzentrierte Gesprächsführung ist jedenfalls heute aus der effektiven Krankenversorgung, Gesundheitsförderung und Prävention nicht mehr wegzudenken.

Nähere Informationen finden Sie unter: https://oepgk.at/gute-gespraechsqualitaet-im-gesundheitssystem/ .

Bericht:

Vera Weininger, BA

Literatur

1 HLS-EU Consortium: Comparative report on health literacy in eight EU-Member states. The European health literacy survey. https://cdn1.sph.harvard.edu/wp-content/uploads/sites/135/2015/09/neu_rev_hls-eu_report_2015_05_13_lit.pdf ; zuletzt aufgerufen am 16. 3. 2022

2 Griebler R et al.: Gesundheitskompetenz in Österreich: Ergebnisse der österreichischen Gesundheitskompetenz-Erhebung HLS19-AT. Wien: Gesundheit Österreich, 2021

3 BMGF: Verbesserung der Gesprächsqualität in der Krankenversorgung. Strategie zur Etablierung einer patientenzentrierten Kommunikationskultur. https://oepgk.at/wp-content/uploads/2018/10/strategie-zur-verbesserung-der-gespraechsqualitaet.pdf ; zuletzt aufgerufen am 7.4.2022

4 Silverman J et al.: Skills for communicating with patients. 3. Auflage. London: Radcliffe Publishing Ltd, 2013






Erfahrungsbericht


Unsere Gesprächspartnerin:
Dr. Eva Pilz
Ärztin für Allgemeinmedizin & TCM
Kommunikationstrainerin nach ÖPGK-tEACH-Standard
Wien
E-Mail: evapilztcm@gmail.com

„Ich habe die Ausbildung zur Kommunikationstrainerin gemacht, die eineinhalb Jahre berufsbegleitend dauert und sehr intensiv ist.

Vor allem zwei Themen sind für meinen Praxisalltag hochrelevant. Ich habe zunächst sehr vom Deeskalationstraining profitiert. Dabei haben wir geübt, wie man z.B. mit Aggressionen von Patienten umgeht. In der Ausbildung konnten wir mit sehr guten Schauspielern als Patienten üben, zunächst ruhig zu bleiben und Gefühle zu benennen: ‚Ich sehe, Sie sind wütend, zornig‘– das war einfach gut, um mehr Sicherheit darin zu bekommen, anders zu reagieren. Sehr hilfreich waren auch die Videoanalysen von uns selbst in Gesprächssituationen.

Das zweite Thema, das ich in meine Praxis mitgenommen habe, war: Wie leite ich ein Gespräch ein? Im Studium haben wir noch gelernt, das Gespräch mit dem Patienten zu fokussieren. In der Kommunikationsausbildung wurde uns beigebracht, Patienten einfach einmal reden zu lassen. Man weiß aus der Forschung, dass es im Durchschnitt 90 Sekunden in Anspruch nimmt, bis Patienten ihr Anliegen artikuliert haben und man so schnell die Information bekommt, die man als Ärztinbzw. Arzt benötigt. Im Kurs haben wir vom sogenannten ‚Columbo-Effekt‘ gesprochen – kurz bevor Inspektor Columbo zur Tür hinausgeht, dreht er sich noch einmal um und stellt dann die entscheidende Frage. Es ist mir früher häufiger passiert, dass Patienten schon bei der Türe waren und dann erst auf ihr zentrales Problem zu sprechen kamen. Heute passiert mir das nur mehr selten.

Ich habe nach der Ausbildung darauf geachtet, das Gelernte im Praxisalltag umzusetzen. Wichtig ist aber auch, dass man immer wieder übt und Gruppen, die bereits einen Kurs absolviert haben, nach 2 Jahren einen Refresherkurs anbietet. Es schleichen sich mit der Zeit doch wieder Fehler ein.“


Erfahrungsbericht


Unser Gesprächspartner:
Dr. Manfred Kühler
Arzt für Allgemeinmedizin &Arbeitsmedizin, Wien
E-Mail: dr.kuehler@a1.net

„Ich bin damals über eine Einladung vom Gesundheitsnetzwerk Seestadt zum Kommunikationstraining gekommen. Veranstaltet wurde es von Dr. Marlene Sator vom Kompetenzzentrum Gesundheitsförderung und Gesundheitssystem. Der Fokus lag auf dem Thema, wie man mit Patienten Gespräche führt, um möglichst viel Informationen vom Patienten zu bekommen und Inhalte verständlich zu vermitteln. Nach einer kurzen theoretischen Vorbesprechung haben wir dann versucht, in Rollenspielen Ordinationssituationen durchzuspielen.

Das Eindrucksvollste am Kurs war für mich die Schauspielerin, die in die Rolle einer Patientin schlüpfte. Es wurde vorher kurz besprochen, welches Thema für die Gruppe interessant ist, danach hat sich die Schauspielerin kurz fokussiert, eine andere Jacke angezogen, die Frisur verändert und war auf einmal eine andere Person. Es war sehr realitätsnah.

Was ich für mich mitgenommen habe, ist, dass es oft besser ist, Patienten einmal reden zu lassen, zuzuhören, den Patienten nicht zu unterbrechen und dann erst in das Gespräch einzusteigen. Mein erster Eindruck zu diesem Zugang war: ‚Das dauert sicher ewig‘ – man möchte mit dem Patienten rasch auf den Punkt kommen. Für beide Seiten ist es jedoch meist befriedigender, wenn der Patient einfach einmal abladen kann. Danach hat er das Gefühl:‚Ich habe alles gesagt‘, und hört zu, was der Arzt zu sagen hat. Ich habe das im Anschluss auch in der Praxis umgesetzt und es hat gut funktioniert. Die Gesprächssituation ist angenehmer und harmonischer. Mein Eindruck ist, dass sich der Patient mehr angenommen und verstanden fühlt.

Ich kann jedem den Kurs empfehlen, auch wenn sie oder er schon jahrelang in einer Praxis arbeitet – denn gerade im Umgang mit schwierigen Situationen kann man immer wieder dazulernen. Beim Überbringen von schlechten Nachrichten stellt sich z.B. die Frage: Wie kann man dem Patienten etwas vermitteln, ohne ihn zu ängstigen oder zu kränken? Im Rahmen dieses Trainings kann man verschiedene Situationen in einer angenehmen Atmosphäre besprechen. In der Gruppe ist es einfach toll, dass man in einer geschützten Atmosphäre Feedback und Reflexion bekommen kann.“

Back to top