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„Sexuell gesund“:

Gratis-App für Fakten-Check

In Hinblick auf das Erlernen persönlicher Gesundheitskompetenz können Maßnahmen getroffen werden, mit denen junge Menschen in ihrem gesundheitsbezogenen Wissen und ihren gesundheitsbezogenen Entscheidungsfähigkeiten unterstützt und gefördert werden. Die Frage ist: Welche Art der Informationsvermittlung ist evidenzbasiert, jugendgerecht, nachhaltig und bleibt möglichst lange in der Zielgruppe? Die App „sexuell gesund“ der AIDS-Hilfe Steiermark ist eine Antwort darauf.

Projekthintergrund

Die AIDS-Hilfe Steiermark ist eine von sieben AIDS-Hilfen in Österreich, die zum Zweck der Beratung, einschließlich HIV-Testung, der Betreuung von HIV-positiven und an Aids erkrankten Menschen und der Prävention ins Leben gerufen wurde. In den letzten Jahren wurden diese Kerngebiete in den Bereich der sexuellen Gesundheit eingebettet und die Angebote erweitert.

Die AIDS-Hilfe Steiermark erreicht über Workshops zum Thema „Sexuelle Gesundheit mit den Schwerpunkten HIV/Aids und sexuell übertragbare Infektionen“ jährlich rund 13000 Jugendliche – ein nach wie vor gut funktionierendes Format der HIV-Prävention und Förderung der sexuellen Gesundheit. Vom angebotenen Infomaterial werden Kondome gerne genommen, Broschüren kaum, diese sind zur Festigung relevanter Inhalte immer weniger geeignet. Jugendliche begeben sich ins Internet, um an Informationen über Sexualität zu kommen. Diese sind aber oft widersprüchlich und von fragwürdiger Qualität, daher sollte ein hochwertiges digitales Informationsangebot für Jugendliche entwickelt werden. Da 97–98% der 12- bis 18-Jährigen ein Smartphone besitzen und dieses auch täglich aktiv nutzen,1 war eine App der logische Schluss. Die Recherche in den diversen Stores ergab, dass eine App, die umfassend zu sexueller Gesundheit informiert, im deutschen Sprachraum noch nicht verfügbar ist.

Zielgruppen

Jugendliche von 12 bis 19 Jahren sind die Hauptzielgruppe sowie Erwachsene, die mit Jugendlichen arbeiten, und interessierte Erwachsene.

Bedarfsanalysen

Eine Bedarfsanalyse sollte im Vorfeld klären, ob eine neue Informationsplattform von Jugendlichen angenommen werden würde und welche Ansprüche an eine App gestellt werden. Dazu wurde eine Befragung von Jugendlichen (n=149) durchgeführt und eigene Studien der AIDS-Hilfe Steiermark der vergangenen Jahre wurden reanalysiert. Wesentliche Ergebnisse der Bedarfsanalyse waren:

  • 74% der befragten Jugendlichen gaben an, eine solche App ausprobieren zu wollen.

  • Die Jugendlichen wünschten sich Informationen, übersichtlich und verständlich erklärt, von Bildern unterstützt, sowie Kontakte zu Beratungsstellen.

  • Die App sollte auf den Betriebssystemen iOS und Android verfügbar sein.

Was die Inhalte der App betraf, wurde im Schuljahr 2017/18 eine Evaluierung der Workshops zu „sexueller Gesundheit“ bei 438 Jugendlichen durchgeführt. Die Jugendlichen wurden unter anderem gefragt, wie wichtig ihnen verschiedene Themen aus dem Bereich der sexuellen Gesundheit sind und wie gut sie sich darüber informiert fühlen.

In der Abbildung1 wird ersichtlich, dass sich die Wichtigkeit aller Themen im Durchschnitt im mittleren bis hohen Bereich befindet. Besonders wichtig sind für die Jugendlichen die Themen „Verhütung“, „sexuell übertragbare Infektionen (STI)“ und „HIV/Aids“.

Was den selbst eingeschätzten Informationsgrad betrifft, fühlen sich die Jugendlichen mittelmäßig bis eher gut informiert, jedoch haben viele ihren Informations-Level überschätzt, wie der Wissenstest der Fragebogenerhebung ergeben hat.2, 3

Auf den Ergebnissen aufbauend, wurde in Kooperation mit dem Institut eHealth der FH Joanneum die Jugend-App „sexuell gesund“ entwickelt, die für die Nutzung mit dem Smartphone optimiert ist und nach dem Download auch ohne Internetzugang verwendbar ist.

Vortestungen

In einem nächsten Schritt wurde der Prototyp im Rahmen der Jugendmesse „XUND und DU“ bei 361 Jugendlichen getestet. Eine strukturierte Beobachtung mit anschließender Fragebogenerhebung bei 85 Jugendlichen gab Aufschluss hinsichtlich Usability, Akzeptanz und Peers-Effekten. Die Ergebnisse der Vortestungen wurden in die App eingearbeitet.

Vorstellung der App „sexuell gesund“

Die App bietet umfassende wissenschaftlich fundierte, jugendgerechte Informationen zu folgenden Themen (Abb.2):

  • Körperwissen

  • Geschlechtsidentitäten, sexuelle Orientierungen

  • Sex und das Gesetz/sexuelle Rechte, Sexting, Cybergrooming, Pornografie

  • Verhütung

  • Sexuell übertragbare Infektionen (STI)

  • Kondom- und Femindomanwendung

  • HIV/Aids, ergänzt durch ein Quiz

  • Notrufnummern und die Kontaktdaten von Beratungsstellen in allen Bundesländern und den AIDS-Hilfen Österreichs

Kurze Videos (1–2 Minuten) bieten einen guten Einblick in das jeweilige Thema. Im Wissensspeicher gibt es zu jedem Bereich vertiefende Informationen. Die App deckt die Lehrplaninhalte zu sexueller Gesundheit mehrerer Schulstufen ab und ist damit eine ideale Ergänzung zu den bisher verfügbaren Unterrichtsmaterialien. Die App ist fixer Bestandteil der Workshops der AIDS-Hilfe Steiermark, wird von Multiplikator*innen im Berufsschulbereich eingesetzt und hat sich auch bei Online-Workshops im Rahmen des Home-Schoolings bewährt.

Auf der Homepage der AIDS-Hilfe Steiermark finden sich die Links und QR-Codes zum Download der App: www.aids-hilfe.at/app. Die App ist seit Februar 2020 verfügbar und wird über soziale, kommunale Netzwerke, Peergroups und über Workshops verbreitet. 2020 wurde „sexuell gesund“ übrigens mit dem Steirischen Qualitätspreis Gesundheit „SALUS“ im Bereich Gesundheitsförderung ausgezeichnet.

Resümee und Ausblick

Mit der App „sexuell gesund“ gibt es im deutschsprachigen Raum ein auf jugendliche Bedürfnisse abgestimmtes, evidenzbasiertes Informationstool. Die Weiterentwicklung der App zielt auf die Erweiterung relevanter Themen und die Übersetzung in andere Sprachen ab. In Patient*innengesprächen kann auf die App als herunterladbare Informationsmöglichkeit hingewiesen werden. Plakate mit den QR-Codes für den Wartebereich können in der AIDS-Hilfe Steiermark bestellt werden.

Literatur:

  1. Berg A: Kinder und Jugendliche in der digitalen Welt. 2019. www.bitkom.org/sites/default/files/2019-05/bitkom_pk-charts_kinder_und_jugendliche_2019.pdf ; zuletzt aufgerufen am 30. 4. 2021

  2. Hutz F, Scambor C: Workshop „Sexuelle Gesundheit“. Evaluierung 2018, Steiermark. www.aids-hilfe.at/wp-content/uploads/2019/06/Workshop-Sexuelle-Gesundheit-Evaluierung-2018-Steiermark.pdf ; zuletzt aufgerufen am 30. 4. 2021

  3. Hutz F, Scambor C: Workshop „Sexuelle Gesundheit“. Evaluierung 2017, Burgenland. www.aids-hilfe.at/wp-content/uploads/2019/06/WS-Sexuelle-Gesundheit-Evaluierung-2017-Burgenland.pdf ; zuletzt aufgerufen am 30. 4. 2021

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