Patientensicherheit wirklich in Gefahr?

Heftiges Tauziehen um geplante Wirkstoffverschreibung

Bereits im Herbst des Vorjahres hatten die Pläne von Gesundheitsminister Dr. Wolfgang Mückstein, wonach Ärzte ihren Patienten künftig nur noch Wirkstoffe verschreiben sollen und die Apotheken dann das konkrete Präparat auswählen, zu heftigen Debatten geführt. Nun wurde die Auseinandersetzung neu entfacht: Die Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) hat einmal mehr an die Politik appelliert, keine Wirkstoffverschreibung einzuführen, und startet als nächsten Schritt eine Medienkampagne. Unterstützung für das Vorhaben des Gesundheitsressorts kommt hingegen von der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) und den Patienten- und Pflegeanwaltschaften.

„Österreich ist das letzte Land in der EU, das den Ärzten uneingeschränkt erlaubt, Medikamentenmarken und nicht die benötigten Wirkstoffe für die Behandlung der Patienten zu verschreiben“, geben sich ÖGK-ArbeitnehmerInnen-Obmann Andreas Huss, MBA, und Dr. Gerald Bachinger, Sprecher der Patienten- und Pflegeanwaltschaften, in einer gemeinsamen Mitteilung einig. Wie in den Nachbarstaaten sollten die verschreibenden Ärzte auch hierzulande nicht mehr den Handelsnamen eines Medikaments auf dem Rezept anführen, sondern den benötigten Wirkstoff nennen. Einwände der Pharmaindustrie und der Ärztekammer würden zur Verunsicherung und nicht zur Patientensicherheit beitragen, heißt es. Dazu kommt, dass „in den österreichischen Krankenhäusern seit Jahren nur noch mit Wirkstoffen gearbeitet wird“, ergänzt Bachinger.

Die ÖGK erhofft sich von der Einführung – gepaart mit flankierenden Maßnahmen – nach eigenen Angaben ein Einsparpotenzial von jährlich rund 132 Mio. Euro bei Abgabe des günstigsten wirkstoffgleichen Generikums bzw. Biosimilars statt des verordneten Arzneimittels.

Für die Ärztekammer stellen die Pläne einen Frontalangriff dar: „Eine Wirkstoffverschreibung, bei der die Entscheidung über die tatsächlich abgegebene Arzneispezialität gänzlich vom Arzt auf den Apotheker übergeht, ist aus unserer Sicht eine dunkelrote Linie. Die Entscheidungshoheit muss natürlich bei den Ärztinnen und Ärzten liegen, die durch ihr jahrelanges Studium und die zusätzlichen Aus- und Weiterbildungen die nötige Kompetenz dafür mitbringen“, fasst Dr. Johannes Steinhart, Vizepräsident der ÖÄK und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte, zusammen. Dass das Gesundheitsministerium eine entsprechende Beschlussfassung vorbereiten lässt und sich eine Änderung im Arzneimittelgesetz für Arzneimittelsubstitutionen, also die Herausgabe äquivalenter Medikamente auf Apothekenebene, vorstellen könne, wird scharf kritisiert. Und die Ärztekammer legt noch nach: Nun ist eine medial breit angelegte Kampagne geplant, „um auf die vielen Probleme hinzuweisen, die die Wirkstoffverschreibung mit sich bringen würde“, kündigt Steinhart an.

Diskussionen über aut idem oder Wirkstoffverschreibung gab es in der Vergangenheit immer wieder. Zuletzt hat ein Bericht des Rechnungshofs (RH) im Herbst des vergangenen Jahres das Thema neu befeuert. Der RH beanstandete damals Mängel bei der Arzneimittelversorgung in Österreich. Als Konsequenz empfahlen die Prüfer die Wirkstoffverschreibung. Gesundheitsminister Mückstein nahm den Ball auf. Eine solche Maßnahme könne helfen, Medikamentenengpässe „leichter und kostengünstiger zu überwinden“, so der Ressortchef. Zudem sei eine derartige Regelung in etlichen EU-Ländern verpflichtend, in den meisten anderen bestehe zumindest eine entsprechende Möglichkeit.

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