© decade3d iStockphoto

Entgeltlicher Beitrag · Neue therapeutische Ansätze

Helicobacter-pylori-Eradikation

Das Bakterium Helicobacter pylori (HP) ist mit einer Prävalenz von ca. 50% der Verursacher der weltweit häufigsten Infektionskrankheit,1 die unbehandelt bei ca. 20% der infizierten Menschen schwerwiegende bis tödliche Erkrankungen, wie das Adenokarzinom, zur Folge hat.2, 3 Da der Übertragungsweg der HP-Infektion nach wie vor unbekannt ist, existieren auch keine anerkannten Präventionsstrategien zu deren Verhinderung, und da auch Impfversuche nicht die gewünschte Wirkung gezeigt haben, bleibt die Therapie als einziges wirksames Mittel, um Folgeerkrankungen zu verhindern. Seit dem heroischen Selbstversuch des australischen Arztes Barry Marshall im Jahre 1989 ist die auf Protonenpumpeninhibitoren (PPI) und Antibiotika basierende HP-Eradikationstherapie ein fixer Bestandteil gastroenterologischer Behandlungsstrategien. Leider zeigt eine Cochrane-Metaanalyse4, dass sich die Wirksamkeit der HP-Eradikationstherapie seit 2008 pro Jahr um ca. 1% verringert hat und zurzeit deutlich unter 80% liegen dürfte (Abb.1).4 Um die Eradikationsrate wieder in den Bereich von 90% oder darüber zu heben, empfehlen internationale Richtlinien5, 2 die bismutbasierte Quadrupeltherapie, die durch Probiotika als Add-on ergänzt werden kann, um die Nebenwirkungen zu senken und damit die Therapie-Adhärenz zu heben.

Abb. 1: Lineares Regressionsmodell der zeitlichen Tendenz geringerer Wirksamkeit von der nicht bismuthaltigen, sequenziellen Quadrupeltherapie (SEQ) vs. Standard-Tripeltherapie (STT) (modifiziert nach Nyssen OP et al. 2016) 4

Die HP-Eradikationstherapie in der täglichen Praxis

Obwohl gesichertes Zahlenmaterial fehlt, zeigt doch die tägliche Praxis, dass auch in Österreich sowohl die klassische Tripeltherapie (10 Tage PPI + Clarithromycin + Amoxicillin oder Metronidazol) als auch die sequenzielle Therapie (5 Tage PPI + Amoxicillin gefolgt von 5 Tagen PPI + Clarithromycin + Metronidazol) Jahr für Jahr an Wirksamkeit verlieren. Ursache dafür ist die zunehmende Resistenz gegen Clarithromycin, die nach Angaben der ÖGGH6 im Jahr 2018 im Österreichschnitt bei 21% lag. Auch der Ersatz von Clarithromycin durch Levofloxacin brachte nicht den gewünschten Erfolg, denn die Resistenzen gegen Levofloxacin lagen im selben Jahr bereits bei 13%. Als Reaktion auf diese unerfreuliche Situation wurde von den internationalen wie auch den nationalen Expertenrunden mehr oder minder „more of the same“ empfohlen: kombinierte Vierfachtherapien oder Quadrupeltherapien mit Bismutsalzen, und das über einen Zeitraum von 14 Tagen (Tab.1). Diese von den Klinikern empfohlenen Therapien stoßen aber in der täglichen Praxis rasch an ihre Grenzen. Die mit der Durchführung befassten niedergelassenen Ärzte sehen sich häufig mit dem Widerstand ihrer Patienten konfrontiert, die ihre Therapie aufgrund von schweren Nebenwirkungen, vor allem Diarrhöen, vorzeitig abbrechen und damit das Problem der Antibiotikaresistenzen noch weiter verschärfen. Nicht zu vergessen sei auch, dass das giftige Bismut schwere Nebenwirkungen, von Diarrhö, Übelkeit und Dysgeusie (einschließlich metallischer Geschmacksempfindung) über periphere Neuropathie bis hin zur toxischen epidermalen Nekrolyse (Lyell-Syndrom; potenziell tödlich verlaufend), verursachen kann7 und zudem täglich 14 Kapseln (Pylera® + Omeprazol) geschluckt werden müssen. Außerdem gilt es, die Frage zu beantworten, welche Optionen noch zur Verfügung stehen, wenn auch die in der Vierfachtherapie verwendeten Antibiotika ihre Wirkung verlieren, und welchen Schaden die zunehmenden Antibiotikaresistenzen in der „restlichen“ Medizin verursachen. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass gerade von der niedergelassenen Ärzteschaft der Ruf nach neueren, für die Patienten weniger belastenden Ansätzen für die HP-Eradikationstherapie laut wird. Dazu lohnt sich ein genauerer Blick auf den „Wohnort“ des HP, den Magen.

Tab. 1: ÖGGH: Eradikation von Helicobacter pylori in Österreich bei hoher Resistenzlage (modifiziert nach ÖGGH/Kump P et al. 2018)6

Ökosystem Magen

Bis 1984 glaubte man, dass der Magen aufgrund des niedrigen pH-Wertes und des Pepsins völlig steril sei, danach, dass nur HP in dieser Umgebung überleben kann, da er sich mit einem schützenden Ammoniakmantel umgibt. 2006 gelang mit genetischen Methoden der Nachweis, dass der Magen ein reichhaltiges Mikrobiom, mit zahlreichen Spezies der Stämme Firmicutes, Proteobacteria, Bacteroidetes, Actinobacteria und Fusobacteria,8 beherbergt. So wurden unter anderem auch 19 Spezies von Laktobazillen aus Magenbiopsien nachgewiesen9 und bei rund 50% aller Menschen ist HP ein Teil dieses Ökosystems. Man kann aus gutem Grund vermuten, dass sich, wie in jedem intakten Ökosystem, normalerweise ein Gleichgewicht zwischen den Arten einstellt und somit auch die Besiedelung mit HP so gering ist, dass er keinen Schaden anrichten kann (Abb.2). Laktobazillen scheinen dabei eine wichtige Rolle zu spielen, da sie allein durch ihre Ausscheidungen (im Labor der Überstand) in der Lage sind, HP in seiner Umgebung abzutöten.10 Immerhin bleiben rund 80% aller HP-Infektionen symptomlos, was vermuten lässt, dass erst eine massive Störung des Ökosystems Magen, etwa durch Antibiotikagabe, Krankheit oder ungünstige Lebensgewohnheiten, eine Verschiebung des Gleichgewichtes zugunsten des HP bewirkt und dieser damit pathogen wird.

Abb. 2: Durchqueren der Schleimhautschichten des Magens durch den Helicobacter pylori (modifiziert nach National Science Foundation)12

Add-on-Therapien

Laktobazillen11

Aufgrund der oben angeführten Überlegungen, aber auch basierend auf der internationalen Studienlage13 ist der Add-on-Einsatz von Laktobazillen bei einer HP-Eradikationstherapie naheliegend und wird auch in internationalen Richtlinien empfohlen.2,5 Zahlreiche randomisierte kontrollierte Studien (RCT) und Metaanalysen konnten zeigen, dass Probiotika-supplementierte Eradikationstherapien solchen ohne Probiotika signifikant in Hinsicht auf Patientenadhärenz, Nebenwirkungen und Eradikationsraten überlegen waren. Die Studien zeigen aber auch, dass nicht alle Keime gleich gut geeignet sind, sondern vielmehr jeder Keim gesondert auf seine Eignung als Add-on zur Eradikationstherapie untersucht werden muss (Abb.3). In Österreich ist das probiotische Arzneimittel Antibiophilus®-Pulver mit dem Keim Lactobacillus casei rhamnosus „strain“ 35 (LCR35) ein vielversprechender Kandidat, da es laut Fachinformation zur Behandlung der Antibiotika-assoziierten Diarrhö zugelassen ist, keine bekannten Nebenwirkungen hat14 und darüber hinaus eine bakterizide Wirkung gegen zahlreiche pathogene Keime14 sowie eine Wirkungsverstärkung von einigen Antibiotika16 nachgewiesen hat. Darüber hinaus konnte an der Medizinischen Universität Graz in einer bisher nur als Poster veröffentlichten Arbeit gezeigt werden, dass allein der Überstand einer LCR-35-Kultur bakterizid auf HP wirkt.17 Diese In-vitro-Daten wurden im Rahmen einer nicht interventionellen Studie (NIS) nach §2 AMG in drei gastroenterologischen Praxen überprüft, in der bei 112 Patienten mit klinisch relevanter und histologisch gesicherter HP-Infektion HP eradiziert wurde. Alle erhielten eine Standardtherapie zur HP-Eradikation, ergänzt durch LCR 35, 1,5 x 108 CFU, 1–2-mal pro Tag zur Prophylaxe der Antibiotika-assoziierten Diarrhö (AAD). Ergebnis: Von 112 Patienten kamen 107 (95,5%) zur Endkontrolle, wovon im Laufe der Therapie 3 eine Diarrhö und weitere 7 Patienten andere Nebenwirkungen, hauptsächlich gastrointestinale, entwickelten. 102 Patienten (91,1%) hatten einen negativen und 5 einen positiven HP-Antigen-Stuhltest.17 Obwohl diese Ergebnisse hinsichtlich der Wirkung und Nebenwirkungen deutlich besser sind, als es die Studienlage erwarten lässt, müssen sie noch im Rahmen einer RCT verifiziert werden, wofür die Vorbereitungen gerade im Gange sind.

Abb. 3: Hemmung des Wachstums pathogener Keime – antibakterielle Wirkung von LCR 35 (modifiziert nach Forestier C et al. 2001)15

Urease-Hemmung

Weitere therapeutische Optionen ergeben sich, wenn man sich die Frage stellt, was eigentlich die Lebensgrundlage des HP ist. Dazu muss man zunächst wissen, dass HP seine Energie gewinnt, indem er Harnstoff (Urea) zu Ammoniak und CO2 abbaut, wobei diese exotherme Reaktion durch das von HP produzierte Enzym Urease katalysiert wird. Der aus dieser Reaktion entstandene Ammoniak schützt den HP vor der sauren Umgebung und liefert auch den Stickstoff zur Synthese von Aminosäuren. Es läge also auf der Hand, die Urease zu inaktivieren, um so den HP seiner Lebensgrundlage zu berauben, was aber nicht so einfach ist, wie es scheint. Arzneimittel, die eine starke inhibitorische Wirkung auf die Urease haben, wie Hydroxycarbamid18, scheiden aufgrund ihrer Toxizität ebenso aus wie Schwermetallionen (Silber, Quecksilber oder Kupfer). Vielversprechender sind da Naturstoffe wie Boswelliasäuren aus dem Harz des Weihrauchs oder Epiberberin, das vom Goldfaden stammt, einer Pflanze, die in Asien traditionell gegen gastrointestinale Beschwerden eingesetzt wird.19 Aussagekräftige klinische Daten zu diesen Naturstoffen fehlen aber noch. Praxisnäher ist da schon der gezielte Einsatz von PPI. Diese hemmen nicht nur die Bildung von Magensäure und wirken so der HP-verursachten Gastritis entgegen, sondern führen darüber hinaus noch zu einer unterschiedlich ausgeprägten Hemmung der Urease.20 Im Labor konnte gezeigt werden, dass Omeprazol und Lansoprazol die Aktivität der Urease während der ersten 40 Minuten zu über 90% inhibieren. Danach sinkt die Inhibitionsrate. Folgerichtig hemmen Omeprazol und Lansoprazol auch das Wachstum von HP zu rund 80%. Pantoprazol hingegen hatte keinen Einfluss auf die Urease und auf das HP-Wachstum. Eine gezielte Auswahl des PPI könnte also durchaus die Erfolgsaussichten der Eradikationstherapie steigern.

Rolle der PPI

Eigentlich ist es erstaunlich, dass PPI ein unumstrittener Bestandteil jeder Eradikationstherapie sind, wo sie doch die Lebensbedingungen des HP nur zu verbessern scheinen. Sowohl der HP selbst als auch die für ihn lebensnotwendige Urease haben ihr Optimum nahe pH 7. Immerhin hat 1986 Berry Marshall die erste erfolgreiche Eradikationstherapie nur mit Bismut und Antibiotika, also ohne PPI, durchgeführt, die erst in den 90er-Jahren zugelassen wurden. Trotzdem scheint ein Magen-pH-Wert>4 einen positiven Effekt auf die Eradikationstherapie zu haben, wofür zurzeit zwei Gründe diskutiert werden. So zeigt HP bei diesen pH-Werten eine höhere Empfindlichkeit für Antibiotika wie Amoxicillin und Clarithromycin21, vielleicht auch deshalb, weil Amoxicillin bei pH-Werten oberhalb von pH 4 eine höhere Stabilität besitzt.22 Zu diskutieren wäre auch, dass bei pH-Werten>4 die Laktobazillen ihr Wachstumsoptimum haben und mit ihren bakteriziden Ausscheidungen bei der Eradikation helfen. Trotz des erstaunlich geringen Kenntnisstandes über die Rolle der PPI bei der Eradikationstherapie sollten sie nach dem gegenwärtigen Stand des Wissens ein fixer Bestandteil jedes Therapieschemas sein, wobei jene bevorzugt werden sollten, die auch eine Urease-hemmende Wirkung haben.

Fazit

Die klassischen HP-Eradikationstherapien, Tripeltherapie und sequenzielle Therapie, stoßen aufgrund zunehmender Antibiotikaresistenzen an ihre Grenzen und die Umsetzung der bismutbasierten Quadrupeltherapie ist in der täglichen Praxis aufgrund ihrer Nebenwirkungen und des aufwendigen Therapieschemas oft nicht möglich. Praxisnäher wäre es daher, die klassischen Therapieschemata, idealerweise nach Abklärung der Resistenzlage, durch ein Antibiogramm, durch den Add-on-Einsatz von geeigneten probiotischen Arzneimitteln sowie durch die Auswahl von PPI nach ihrer Ureasehemmung zu optimieren. Vonseiten der Forschung wäre es wünschenswert, die Sackgasse „more of the same“ zu verlassen und nach neuen Wegen zu suchen, die sich am aktuellen Wissen über das Ökosystem Magen orientieren.

Literatur:

  1. Eusebi LH et al.: Helicobacter 2014; 19 (Suppl 1): 1-5

  2. Fischbach W et al.: Z Gastroenterol 2016; 54: 327-63

  3. Malfertheiner P et al.: Nat Rev Gastroenterol Hepatol 2014; 11(10): 628-38

  4. Nyssen OP et al.: Cochrane Database Syst Rev 2016; (6): CD009034

  5. Malfertheiner P et al.: Gut 2017; 66(1): 6-30

  6. ÖGGH/Kump P et al.: www.oeggh.at/download/helicobacter_slides_oeggh_stand_mai_2018_rev_ch.pdf ; zuletzt aufgerufen am 2. 9. 2021

  7. Fachinformation Pylera®-Hartkapseln, Stand Mai 2019

  8. Bik EM et al.: PNAS 2006; 103(3): 732-7

  9. Delgado S et al.: Front Microbiol 2015; 5: 766

  10. Liévin-LeMoal V, Servina AL: Clin Microbiol Rev 2014; 27(2): 167-99

  11. Ji J et al.: Int J Mol Sci 2020; 21(3): 1136

  12. National Science Foundation: https://www.nsf.gov/news/news_summ.jsp?cntn_id=115409&org=NSF&from=news ; zuletzt aufgerufen am 2. 9. 2021

  13. Dang Y et al.: PLoS One 2014; 9(11): e111030

  14. Fachinformation Antibiophilus-Pulver zum Einnehmen

  15. Forestier C et al.: Res Microbiol 2001; 152(2): 167-73

  16. Sgibnev A, Kremleva E: Probiotics Antimicrob Proteins 2017; 9(2): 131-41

  17. Hameed Z, Moissl-Eichinger C: Data on file

  18. Gale R: BCP 1965; 14(5): 693-8

  19. Kafarski P, Talma M: J Adv Res 2018; 13: 101-12

  20. Saniee P et al.: Helicobacter 2015; 21: 143-52

  21. Scott D: Gut 1998; 43(Suppl 1): 56-60

  22. Goddard AF: Gastroenterology 1996; 111: 358-67

Fachkurzinformation:
Bezeichnung: Antibiophilus – Hartkapseln, Antibiophilus – Pulver zum Einnehmen; Zusammensetzung: 1 Kapsel zu 250mg bzw. 1 Beutel zu 1,5g enthält lebensfähige Keime von Lactobacillus casei rhamnosus (LCR 35) mit einer Keimzahl von ≥ 2 x 108 bzw. ≥ 1,5 * 108 zum Ende der Laufzeit. Sonstige Bestandteile: Hartkapseln: Kartoffelstärke, Lactose-Monohydrat, LCR 35 Nährmedium, Maltodextrin, Natriumthiosulfat, Natriumglutamat, Magnesiumstearat; Gelatine, Titandioxid E-171; Pulver zum Einnehmen: Kartoffelstärke, Lactose-Monohydrat, LCR 35 Nährmedium, Maltodextrin. Anwendungsgebiete: Behandlung von Durchfällen unterschiedlicher Genese, insbesondere auch von Antibiotika- oder Strahlentherapie-bedingten Durchfällen. Antibiophilus wird angewendet bei Erwachsenen, Jugendlichen, Kindern, Kleinkindern, Säuglingen, Neugeborenen und Frühgeborenen ab einem Geburtsgewicht von 1000g. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile. Die Informationen bez. Warnhinweisen, Wechselwirkungen und Nebenwirkungen sowie Gewöhnungseffekten sind der veröffentlichten Fachinformation zu entnehmen. Abgabe: rezeptfrei, apothekenpflichtig. ATC-Klasse: A07FA01. Zulassungsinhaber: Germania Pharmazeutika GesmbH, Schuselkagasse 8, 1150 Wien

Mit freundlicher Unterstützung von

Back to top