Neue Studie zeigt Gefahrenpotenzial auf

Mikroplastik führt zu Gefäßentzündung

Die weltweite Kunststoffproduktion erreichte im Jahr 2019 einen Umfang von 368 Millionen Tonnen, rechnet der Weltverband der Plastikhersteller vor. Ein großer Teil des Materials gelangt in die Umwelt. Plastikbecher, CD-Hüllen und andere Verpackungen, Dämmstoffe und Bauschaum: Polystyrol ist eines der vier häufigsten Plastikmaterialien. Kunststoffpartikel unter 5 Millimeter Größe, also Mikroplastik, hat man an Küsten und in Ozeanen entdeckt, aber auch in Meerestieren wie Muscheln und Fisch. Selbst in menschlichen Ausscheidungen wurde schon Mikroplastik nachgewiesen. Trotzdem weiß man kaum etwas über die Effekte auf die menschliche Gesundheit. Wie wirkt Mikroplastik auf Immunzellen und die Blutgefäße? Um das herauszufinden, tat sich eine Arbeitsgruppe um den Biologen Dr. Karsten Grote aus der Herz- und Gefäßmedizin der Philipps-Universität mit weiteren Marburger Wissenschaftlern aus der Zellbiologie und der Chemie zusammen. Das Team führte zunächst Experimente an Zellkulturen durch, deren Kulturmedium mit Polystyrolpartikeln versetzt wurde. Wenn das geschieht, bilden Zellen aus der Gefäßwand vermehrt Rezeptoren zur Bindung von Immunzellen aus – die Folge: Immunzellen, die normalerweise einzeln im Blut schwimmen, setzen sich in großer Zahl an der Gefäßwand fest. Die Immunzellen ihrerseits reagieren auf die Verabreichung von Mikroplastik, indem sie Entzündungsproteine freisetzen. Injiziert man Kunststoffpartikel in den Blutkreislauf von Mäusen, so reichert sich das Material in der Leber der Tiere an, die sich daraufhin akut entzündet. Auch nach längerer Zeit finden sich im Blut einzelne Plastikpartikel und sogar Plastikanhäufungen, die von spezialisierten Immunzellen aufgenommen wurden. Die Gefäßwand der Aorta weist außerdem erhöhte Entzündungswerte auf. „Alles in allem zeigen unsere Ergebnisse erstmals, was Polystyrol-Mikroplastik im Blutkreislauf anrichten kann“, berichten die Studienautoren. „Zwar entsprechen sowohl die verabreichte hohe Dosis als auch die direkte Injektion in die Blutbahn einem Extremfall“, schränkt Grotes Mitarbeiterin Dr. Ann-Kathrin Vlacil ein, „Aber dafür nehmen Plastikteilchen in der Natur giftige Stoffe auf, die einen weitaus stärkeren Entzündungseffekt auslösen können als die sterilen Partikel, die wir verwendeten.“ Das Team sieht Mikroplastik aufgrund der Ergebnisse als einen neuartigen Risikofaktor für Gefäßerkrankungen. „Daher halten wir eine allgemeine Risikobewertung für erforderlich“, erklärt Grote.

Quelle:

Presseaussendung der Philipps-Universität Marburg

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