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Ein Blick in den Rückspiegel – und nach vorne

Primärversorgung – wo stehen wir?

Der Weg zum Primärversorgungsgesetz

Mit den neuen Primärversorgungseinheiten (PVE) soll die ambulante Versorgung nach internationalem Vorbild gestärkt und fit für die sich ändernden Herausforderungen im Gesundheitswesen gemacht werden. Einerseits soll damit eine qualitativ hochwertige Versorgung der Patienten sichergestellt werden, andererseits zielt die neue Versorgungsstruktur darauf ab, die Arbeitsbedingungen sowohl für Allgemeinmedizinerals auch für Angehörige von Gesundheits- und Sozialberufen attraktiver zu gestalten. Durch das strukturierte Einbeziehen von Gesundheits- und Sozialberufen werden im Rahmen der Primärversorgung ein erweitertes Angebot an pflegerischen, therapeutischen und sozialen Leistungen sowie Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und Prävention sichergestellt.

Bereits seit Beginn der 2000er-Jahre werden die Stärkung der Primärversorgung sowie die multidisziplinäre Zusammenarbeit in der Primärversorgung diskutiert. Der Grundstein für die heutige Form der PVE wurde mit dem Konzept „Das Team rund um den Hausarzt“ gelegt. Dabei handelt es sich um ein Konsensuspapier zwischen Bund, Ländern, Sozialversicherung und Gesundheitsdienstanbietern, in dem die Eckpfeiler für eine zukünftige, multiprofessionelle und interdisziplinäre Primä q rversorgung in Österreich vereinbart wurden. Darauf aufbauend wurden die weiteren, rechtlichen Grundlagen für die Umsetzung zur Etablierung der Primärversorgungseinheiten erstellt.

Rechtliche Rahmenbedingungen

Im Zentrum steht das Primärversorgungsgesetz 2017 (PrimVG 2017), welches die Rahmenbedingungen – etwa in Bezug auf mögliche Typen von PVE (Zentren oder Netzwerke), auf Organisations- oder Rechtsformen (z.B. Gruppenpraxen oder Ambulatorien) und auf das Leistungsspektrum oder die Voraussetzungen für die Invertragnahme – vorgibt. Auf Basis des PrimVG wurde der Primärversorgungsgesamtvertrag (PV-GV) zwischen dem Dachverband der österreichischen Sozialversicherungsträger und der österreichischen Ärztekammer abgeschlossen. Er regelt weitere Vorgaben zur Zusammensetzung des Kernteams und des erweiterten Teams, zu Öffnungszeiten, zum Leistungsspektrum oder zur Verpflichtung der Diagnosekodierung. Der Abschluss des PV-GV ist deshalb so wichtig, weil er die rechtliche Grundlage für den Abschluss von PVE nach dem PrimVG 2017 bildet. PVE, die vor April 2019 ihren Betrieb aufgenommen haben, wurden als Pilot-PVEzeitlich befristet unter Vertrag genommen.

Darüber hinaus sind Vorgaben für die Planung von PVE in weiteren unterschiedlichen rechtlichen Regelungen enthalten.

In der Vereinbarung gemäß Art.15aB-VG über die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens bekennen sich die Vertragspartner u.a. zum Aufbau von PVE. AlsZiel wurde die Realisierung von zumindest 75 PVE in der laufenden Periode der Vereinbarung, d.h. bis Ende 2021, angestrebt. Mit Stand 1. Oktober 2021 waren in Österreich 29 Primärversorgungseinheiten in Betrieb, davon 26 in der Form eines Zentrums und 3 als Netzwerk.

Bausteine einer gelungenen Primärversorgung

Eine gelungene Primärversorgung bedient den Bedarf und die Bedürfnisse unterschiedlicher Gruppen, allen voran der Bevölkerung bzw.der Patienten und der involvierten Gesundheitsberufe, bedient aber auch die Anforderungen an das Gesundheitssystem (Tab. 1).

Aktuelle Herausforderungen in der Umsetzung

Bei der Umsetzung einer neuen Versorgungsstruktur als Ergänzung und regional auch als Alternative zu den bestehenden Versorgungsformen (Einzelverträge, Gruppenpraxen) wurde deutlich, dass die geschaffenen Rahmenbedingungen für die Systempartner nur einen engen Handlungsspielraum erlauben, der auf die Verschränkung von Planungsinstrumenten zurückzuführen ist, die auf unterschiedliche Sektoren des Gesundheitssystems abzielen.

Die Voraussetzung für den Vertragsabschluss mit einer PVE ist deren Abbildung im Regionalen Strukturplan Gesundheit (RSG). Ergänzend wurde im PV-GV festgelegt, dass die RSG-Planung (Beschluss in der Landes-Zielsteuerungskommission) in den Stellenplan transferiert werden muss, der zwischen Krankenversicherungsträgern und Ärztekammern ausverhandelt wird. Eine PVEdarf nur mit Zustimmung der Ärztekammer ausgeschrieben werden. Auch wenn die Stellenplanung als Verhandlungsergebnis zwischen den Krankenversicherungsträgern und der Ärztekammer bisher bereits die Konkretisierung der RSG-Planung war, so liegt durch die aktuelle Situation eine Neuerung in der extramuralen Planung und Versorgung vor, da eine direkte Verknüpfung und damit Abhängigkeit von zwei voneinander unabhängigen Beschlussgremien geschaffen wurde.

Etablierte Versorgungsstrukturen

Primärversorgung an sich ist ein Versorgungsauftrag, der im Rahmen unterschiedlicher Formen und Organisationsstrukturen, wie beispielsweise Einzelpraxen, Gruppenpraxen oder zunehmend mehr in Formen der gemeinsamen Vertragserfüllung (Job-Sharing), erfüllt wird. Die aktuellen Herausforderungen in der Umsetzung der PVE zeigen, dass der Fokus auf das Ziel der Aufrechterhaltung einer qualitativ hochwertigen Primärversorgung, auf der Sicherstellung der Erfüllung von Versorgungsaufträgen und nicht primär auf der Etablierung bestimmter Strukturen liegen sollte. Im Zentrum steht dabei eine attraktive Gestaltung der Rahmenbedingungen zur Erfüllung dieses Versorgungsauftrages.

Resümee und Ausblick

In den letzten Jahrzehnten haben sich die Rahmenbedingungen und die Anforderungen an das Gesundheitssystem durch demografische, technische und gesellschaftliche Aspekte wesentlich verändert. Eine Anpassung des derzeitigen Systems durch neue Versorgungskonzepte ist somit notwendig, um den neuen Herausforderungen gerecht zu werden. Für die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) stellt die Primärversorgung hierbei eine der wichtigsten Säulen für die Weiterentwicklung des Gesundheitssystems dar.

Die erfolgreiche Umsetzung der PVE ist nur durch eine gemeinsame Kraftanstrengung der Systempartner und der Gesundheitsdienstanbieter zu erreichen. Die ÖGK strebt daher österreichweit die strukturierte Zusammenarbeit der Systempartner in diesem Bereich an, übernimmt eine aktive Rolle in der inhaltlichen Weiterentwicklung der Primärversorgung und unterstützt Interessenten etwa durch Beratungsleistungen, durch die Organisation von Wissensaustausch,durch Vernetzungstreffen mit anderen PVEund durch die Bereitstellung von Informationsmaterial oder Hilfestellung bei der Erarbeitung von Versorgungsprofilen.

Literatur:

beim Verfasser

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