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Private Ladevorrichtungen für Elektrofahrzeuge

„Right to plug“ bei Stromknappheit?

Die WEG-Novelle 2022 ist größtenteils mit 1.1.2022, zur Gänze mit 1.7.2022 in Kraft getreten. Ziele der Novelle sind u.a. der Beitrag zum Klimaschutz im Gebäudesektor sowie die Förderung des emissionsfreien Individualverkehrs. Dazu soll insbesondere die Errichtung von Ladevorrichtungen für Elektrofahrzeuge in Wohnungseigentumsbauten erleichtert werden.

Nicht durch die Novelle geändert hat sich, dass nach §16 WEG jede (nicht nur bagatellhafte) Änderung an einem Wohnungseigentumsobjekt, die schutzwürdige Interessen anderer Wohnungseigentümer beeinträchtigen könnte, die Zustimmung aller übrigen Wohnungseigentümer oder die Zustimmung durch den Außerstreitrichter erfordert.

Allgemeine Teile der Liegenschaft und „privilegierte Änderungen“

Neu geregelt wurde u.a.:

  • Der im Zuge der Novelle neu eingeführte Abs 6 des §16 WEG sieht nunmehr vor, dass der Wohnungseigentümer, der eine Änderung unter Inanspruchnahme sog. allgemeiner Teile der Liegenschaft vorgenommen hat, allfällige Mehrkosten tragen muss, die wegen dieser Änderung künftig für die Erhaltung dieser allgemeinen Teile aufzuwenden sind.

  • Der Katalog der „privilegierten Änderungen“ iSd §16Abs2Z2 WEG wurde u.a. um die Anbringung einer Vorrichtung zum Langsamladen1 eines elektrisch betriebenen Fahrzeugs erweitert, wenn der Anschluss an eine bestehende Einrichtung nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Mit der Privilegierung wird die Voraussetzung, dass die Änderungen verkehrsüblich sind oder einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers dienen, unwiderlegbar vermutet, weshalb die privilegierte Ladeinfrastruktur nur bei Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Eigentümer untersagt werden darf, nicht aber bloß aufgrund der Inanspruchnahme allgemeiner Liegenschaftsteile. Da bei nicht gerechtfertigten Widersprüchen das Vorhaben durch einen Gerichtsbeschluss genehmigt werden kann, wird im Ergebnis gewissermaßen ein „right to plug“, aber eben nur zum Langsamladen, gewährt.

Die Zustimmungsfiktion – es handelt sich um eine unwiderlegbare, gesetzliche Vermutung, dass Schweigen im Rahmen des §16Abs5 WEG ausnahmsweise als zustimmende Willenserklärung gilt – kommt bei folgenden Änderungen zum Tragen:

  • barrierefreie Ausgestaltung eines Wohnungseigentumsobjektes oder von allgemeinen Teilen der Liegenschaft;

  • Anbringung einer Vorrichtung zum Langsamladen eines elektrisch betriebenen Fahrzeugs;

  • Anbringung einer Solaranlage an einem als Reihenhaus oder Einzelgebäude errichteten Wohnungseigentumsobjekt;

  • Anbringung von sich in das Erscheinungsbild des Hauses harmonisch einfügenden Vorrichtungen zur Beschattung eines Wohnungseigentumsobjekts sowie

  • Einbau von einbruchsicheren Türen.

Die Zustimmungsfiktion gilt also u.a. für die Anbringung einer Vorrichtung zum Langsamladen eines elektrisch betriebenen Fahrzeugs, sofern der Anschluss an eine bestehende Einrichtung nicht möglich oder nicht zumutbar ist.

Erteilung der Zustimmung durch die Wohnungseigentümer

Die Zustimmung eines Wohnungseigentümers gilt gemäß §16Abs5 WEG jedoch nur dann als erteilt, wenn

  • er von der geplanten Änderung durch Übersendung auf die in §24 Abs 5 WEG bestimmte Weise verständigt worden ist (d.h. Übersendung in Papierform oder – wenn der empfangende Wohnungseigentümer das verlangt hat – durch elektronische Übermittlung, eine bloß mündliche Verständigung ist nicht ausreichend, der bloße Aushang reicht ebenfalls nicht) und

  • er Änderung nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Verständigung widerspricht. In der Verständigung muss die geplante Änderung klar und verständlich beschrieben und müssen die Rechtsfolgen des Unterbleibens eines Widerspruchs genannt werden.

  • Erfolgt die Verständigung nicht gesetzeskonform, beginnt die zweimonatige Frist nicht zu laufen.

  • Der Widerspruch bedarf keiner Begründung.

Gemeinschaftsanlagen sind zu bevorzugen

§16 Abs 8 WEG normiert jetzt neu, dass ein Wohnungseigentümer, der in seiner Garage oder an seinem Abstellplatz für ein Kraftfahrzeug eine einzelne Vorrichtung zum Laden seines elektrisch betriebenen Fahrzeugs angebracht hat, deren Nutzung nach Inbetriebnahme einer gemeinsamen Elektro-Ladeanlage unterlassen muss, wenn die Eigentümergemeinschaft dies auf Grundlage eines darüber gefassten Beschlusses von ihm verlangt und die elektrische Versorgung der Liegenschaft durch eine Beteiligung an der gemeinsamen Anlage besser genützt werden kann als durch die weitere Nutzung der Einzelladestation. Diese Unterlassungspflicht tritt aber frühestens fünf Jahre nach Errichtung der Einzelladestation (für alle nach dem 31.12.2021 errichteten Einzelladestationen) ein. Dem Wohnungseigentümer, der die Einzelladestation betreibt, kommt bei dieser Beschlussfassung kein Stimmrecht zu.

Hintergrund ist der Gedanke, dass bei einer gemeinsamen Elektro-Ladeanlage durch „intelligentes Laden“ deutlich mehr Elektrofahrzeuge versorgt werden können. Nach Ansicht des Gesetzgebers sind Gemeinschaftsanlagen gegenüber Einzelladestationen daher klar zu bevorzugen. Dies gilt wohl umso mehr, als angesichts der Kapazitätsgrenzen der Hausanschlüsse nicht jeder Ladepunkt zur gleichen Zeit die gleiche Spannung haben kann und die jeweiligen Spitzen durch intelligente Ladesteuerung entlastet werden können.

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