© Peter Bräunig MSF

Ukrainekrieg

Ärzte helfen

Als sich die Situation in der Ukraine Anfang Februar zuspitzte, haben einige von uns nicht daran geglaubt, dass Russland tatsächlich ein europäisches Land angreifen würde. Kurz darauf wurden wir eines Besseren belehrt: Nur einige Autostunden entfernt fallen Bomben auf Häuser, werden Menschen getötet, spielen sich tragische Schicksale ab.

Es folgte eine große Welle an Solidarität mit unseren europäischen Nachbarn: Alle stellten sich auf die ankommenden Flüchtlinge ein, organisierten Unterkünfte, Verpflegung, Versorgung, Transporte usw.

© Ärzte ohne Grenzen

01 Krankentransportzug nach Lviv (1. April 2022)
@ Ärzte ohne Grenzen

Ärzte ohne Grenzen helfen

Auch „Ärzte ohne Grenzen“helfen – nicht nur den Betroffenen des Ukraineangriffs. Sie helfen Menschen in Not, Betroffenen von natürlich verursachten oder von Menschen geschaffenen Katastrophen sowie von bewaffneten Konflikten – ohne Diskriminierung und ungeachtet ihrer ethnischen Herkunft, religiösen oder politischen Überzeugung. „Ärzte ohne Grenzen“ arbeiten neutral und unparteiisch im Namen der universellen Ethik.

In der Ukraine hilft die Organisation momentan, indem sie Hilfsgüter, die zur Versorgung von Verletzten benötigt werden, in die Krankenhäuser von Kiew, Mariupol und Kramatorsk liefert. Sie versucht Mitarbeiter, darunter Chirurgen, ins Land zu bringen, hilft den Geflüchteten und anderen Helfern an den Grenzen in Polen, Ungarn, der Slowakei und der Republik Moldau. Zudem eruieren Mitarbeiter in der Ukraine, wo der größte Handlungsbedarf besteht. Ein Netzwerk von Medizinern an verschiedenen Orten im Land unterstützt sie dabei.

© Ärzte ohne Grenzen

02 Im Krankentransportzug nach Lviv (1. April 2022)
@ Ärzte ohne Grenzen

Mitarbeiten im Einsatz

Nicht nur in der Ukraine – Allgemeinmediziner auf Einsatz mit„Ärzten ohne Grenzen“ behandeln Patienten mit einem großen Spektrum an Erkrankungen und mit sehr eingeschränkten diagnostischen Möglichkeiten. Nicht alle Aufgaben werden von den internationalen Einsatzkräften ausgeführt, aber es braucht stets jemanden, der alles im Auge behält und koordiniert. Jeder Mediziner hat also ein Team zu leiten, Meetings zu organisieren, Personal zu evaluieren, Trainings zu organisieren, Dienstpläne zu schreiben und Arbeitsabläufe zu gestalten. Erfahrung in der Teamführung sind deshalb sehr hilfreich.

Man muss sich dabei allerdings auch im Klaren darüber sein, dass man im Ernstfall die Entscheidungsverantwortung für sich und das Team in Situationen übernehmen muss, in denen man auf sich allein gestellt ist. Grundvoraussetzung für die ärztliche Mitarbeit sind neben den fachlichen Voraussetzungen zumindest gute Englischkenntnisse und eine Verfügbarkeit von mindestenssechs Monaten.

Infos dazu finden Sie unter: https://www.aerzte-ohne-grenzen.at/allgemeinmedizin

Weitere Hilfsmöglichkeiten

Nicht jeder will oder kann sein „normales“ Leben für ein halbes Jahr aussetzen. Daher gibt es auch weitere Möglichkeiten, bei„Ärzten ohne Grenzen“ aktiv zu werden: die ehrenamtliche Mitarbeit. Von klassischer Bürotätigkeit über Hilfe bei Veranstaltungen bis hin zur Aufbereitung von Multimedia-Inhalten:Die Einsatzgebiete sind vielfältig und Sie können selbst bestimmen, wie oft Sie helfen wollen.

Nähere Informationen zur ehrenamtlichen Mitarbeit finden Sie unter: https://www.aerzte-ohne-grenzen.at/mitarbeiten-im-ehrenamt

Spenden – Partnerarzt

Werden Sie Partnerarzt! Dazu müssen Sie nicht ins Ausland gehen, sondern können mit einer Spende ab 360 Euro pro Jahr Menschen an Orten helfen, in denen Spitäler oder Ordinationen Mangelware sind. Was mit einer Partnerärzteschaft sonst noch verbunden ist, erfahren Sie hier:


https://www.aerzte-ohne-grenzen.at/werden-sie-partneraerztin-von-aerzte-ohne-grenzen

Sie können auch als Privatperson mit einer einmaligen Summe oder regelmäßigen Geldbeiträgen helfen, aber auch als Unternehmer können Sie spenden: Stellen Sie eine Spendenbox im Wartezimmer auf oder sammeln Sie z.B. gemeinsam mit Ihren Praxismitarbeitern. Die Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ ist Träger des Österreichischen Spendegütesiegels, Sie können die Spende daher von der Steuer absetzen.

Hier finden Sie alle Informationen zum Spenden: https://www.aerzte-ohne-grenzen.at/spenden

Bericht:

Dr. Katrin Spiesberger

Quelle:

Ärzte ohne Grenzen Österreich




Erfahrungsbericht von der Grenze

Unter der Prämisse, nicht nur zu helfen, sondern auch zu berichten, schildert ein Mitarbeiter von „Ärzte ohne Grenzen“ seine Eindrücke von der Situation vor Ort (Stand 14. März 2022):

Felipe Van Braak ist einer der medizinischen Teamleiter des Nothilfeteams von „Ärzte ohne Grenzen“, das in Polen und an der polnischen Grenze zur Ukraine arbeitet.

„Die Hässlichkeit des Konflikts und die Schönheit, die er in den Menschen hervorbringen kann: Hier in Polen sieht man beides.

In weniger als zwei Wochen hat Polen seine Grenzen für die Aufnahme von Ukrainern geöffnet. Mehr als 1,7 Millionen ukrainische Flüchtlinge befinden sich inzwischen in Polen, und täglich werden es mehr. Die tatkräftige Unterstützung durch die Behörden und die polnische Bevölkerung ist beeindruckend. Anfangs war nichts zentralisiert – die Menschen haben einfach auf eigene Faust gehandelt und geholfen, wo sie konnten. Ich habe noch nie eine spontane Mobilisierung in einem solchen Ausmaß erlebt. Es war wirklich rührend, das mitzuerleben, und ich wünschte, man würde Flüchtlingen, die aus anderen Teilen der Welt kommen, dieselbe Freundlichkeit entgegenbringen.

Letzte Woche habe ich an einem Grenzübergang Hunderte von Menschen gesehen, die darauf warteten, aus der Ukraine über die Grenze zu kommen. Auf der polnischen Seite standen Freiwillige bereit, um die Menschen mit Suppe, SIM-Karten, Hygieneartikeln und warmer Kleidung zu empfangen. Aus dem ganzen Land waren Pfadfinder gekommen, um den Menschen zu helfen, ihre Koffer über die Grenze zu tragen. Ich sprach mit einem pakistanischen Mann, der aus Kiew angereist war. Er sagte mir: ‚Ich bin durch die Hölle gegangen, ich dachte, ich würde sterben, aber seit ich in Polen angekommen bin, habe ich nichts als Freundlichkeit erfahren.‘

Eine große Frage ist, was längerfristig geschieht. Viele Freiwillige werden an ihren Arbeitsplatz zurückkehren müssen. Nach zwei Wochen ist immer noch eine große Zahl von Menschen unterwegs, und irgendwann könnte das System zusammenbrechen. Jedes Land würde Schwierigkeiten haben, so viele Menschen zu versorgen. Polen hat ein Gesetz verabschiedet, das ukrainischen Bürgern einen regulären Status sowie Zugang zu Arbeitsplätzen, Bildung und Dienstleistungen gewährt. Dennoch steht Polen vor immensen Herausforderungen. Die reichsten Länder in Europa und darüber hinaus sollten viel mehr tun.

Aus medizinischer Sicht ist eines meiner Hauptanliegen für die nächsten Wochen die Kontinuität der Versorgung von Patienten mit chronischen Krankheiten. Die Flüchtlinge aus der Ukraine müssen ihre gewohnten Medikamente gegen Bluthochdruck, Diabetes, Epilepsie, psychiatrische Störungen, Tuberkulose und andere gesundheitliche Probleme erhalten. Wenn sie nicht regelmäßig Zugang zu Medikamenten haben, wird sich ihre Krankheit verschlimmern und vielleicht sogar einen Krankenhausaufenthalt erforderlich machen. Nach Gesprächen mit polnischen Medizinern bin ich mir nicht sicher, ob das polnische Gesundheitssystem auf einen solchen Anstieg des medizinischen Bedarfs vorbereitet wäre. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Medikamente zur Verfügung gestellt werden, damit die Versorgung nicht unterbrochen wird, und dass diese Dienste vorrangig ausgebaut werden.

Es ist besonders wichtig, dass die Dienste auch für Drittstaatsangehörige zur Verfügung stehen, d.h. für alle Personen, die aus einem anderen Land stammen und in der Ukraine leben oder arbeiten oder sich aus einem anderen Grund im Land aufhalten. Letzte Woche sah ich zum Beispiel an einem Bahnhof eine Gruppe junger Männer aus Indien, die aus der Ukraine gekommen waren und versuchten, einen Zug nach Deutschland zu bekommen. Die Beförderung in Polen ist für Ukrainer derzeit kostenlos, doch diese Männer wurden aufgefordert, für ihre Fahrkarten zu bezahlen. Um zu verhindern, dass Menschen durch die Maschen fallen, sollten Informationen über den Zugang zu medizinischer Versorgung für alle Menschen, die aus der Ukraine kommen, zugänglich gemacht werden, unabhängig von ihrer Nationalität.“

Back to top