
16. Oktober 2022
Diabetes und Lipide
Bei den lipidsenkenden Therapien gibt es auch nach den PCSK9-Inhibitoren weiter Bewegungen, wie die Zulassungen von Bempedoinsäure und Inclisiran zeigen. Das sind gute Nachrichten, denn die Kombination von Diabetes mellitus und Dyslipidämie ist gefährlich und bei der Behandlung gibt es noch immer „Luft nach oben“.
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Personen mit Diabetes mellitus Typ 2 (DM2) weisen eine Vielzahl von Lipidabnormalitäten auf; darunter eine erhöhte Produktion von VLDL und Chylomikronen, eine höhere Anzahl der als besonders atherogen geltenden „small-dense“ LDL-C-Partikel, eine gesteigerte CETP-Aktivität und ein niedriges Serum-Adiponectin, das mit einem erhöhten HDL-Katabolismus assoziiert ist.1
Der Zusammenhang zwischen erhöhten LDL-C-Werten und der Entwicklung einer Atherosklerose ist gut dokumentiert. Dass die Kombination eines DM2 mit erhöhten LDL-C-Werten besonders gefährlich ist, hat die Strong Heart Study vor vielen Jahren gezeigt.2 Auf der anderen Seite bestätigen zahlreiche Studien, was durch die LDL-C-Reduktion erreicht werden kann: So zeigen randomisierte kontrollierte Studien, dass sich das Risiko für eine koronare Herzerkrankung um 30% senken lässt, wenn das LDL-C über einen Zeitraum von ca. 5 Jahren auf Werte von 1,6mmol/l reduziert wird. Aus genetischen Studien weiß man, dass sich dieses Risiko um bis zu 70% senken ließe.3
Neue Risikokalkulatoren: SCORE2/SCORE2-OP
Die Behandlung der Dyslipidämie bei Diabetes ist Bestandteil von verschiedenen Guidelines.4–8 Der angestrebte LDL-C-Zielwert ist abhängig vom kardiovaskulären (CV) Risiko und vom 10-Jahres-Risiko für ein tödliches oder nicht tödliches CV Ereignis nach SCORE („systematic coronary risk estimation“). Seit Kurzem stehen mit dem SCORE2 und dem SCORE2-OP („older persons“) für Personen >70 Jahre aktualisierte Tabellen zur CV Risikoeinschätzung zur Verfügung.9, 10 Für Personen mit einem moderaten Risiko gilt ein LDL-C-Zielwert von 2,6mmol/l (100mg/dl). Bei einem hohen oder sehr hohen Risiko sollte das LDL-C um 50% reduziert werden, zusätzlich wird ein Zielwert von 1,8 respektive 1,4mmol/l (70mg/dl resp. 55mg/dl) angestrebt. Die Wahl der lipidsenkenden Therapie richtet sich nach der Höhe des LDL-C-Wertes. Zur Behandlung von Patienten mit einem moderaten, hohen oder sehr hohen CV Risiko sollte ein hochpotentes Statin mit der maximal tolerierten Dosis eingesetzt werden.4 Ca. 8 bis 12 Wochen nach dem Therapiebeginn sollte das Lipidprofil kontrolliert werden. Optimalerweise werden aus Sicherheitsgründen die Nieren- und Leberfunktion sowie die Kreatinkinase (CK) mitbestimmt.
Wie die Ergebnisse der CTT-Studie demonstriert haben, führt die Behandlung mit Statintherapie zu einer deutlichen Reduktion von kardio- und zerebrovaskulären Ereignissen.11 Neuere Daten der SIDIAP-Datenbank zeigen, dass das Risiko für eine CV Erkrankung und die Mortalität bei Personen mit DM2 erst mit einem sehr hohen Alter ansteigen, wenn die Patienten neben ihrer Diabetestherapie zusätzlich mit einem Statin behandelt werden.12
Umstritten ist, ob eine Primärprävention mit Statinen bei Personen im fortgeschrittenen Lebensalter fortgesetzt werden sollte. Eine Studie, die den Effekt eines Therapiestopps im Vergleich zur fortgesetzten Statintherapie bei über 75-jährigen Personen untersuchte, konnte zeigen, dass das Risiko, wegen eines CV Ereignisses hospitalisiert zu werden, bei den unbehandelten Personen in den darauffolgenden ca. 2,5 Jahren um mehr als 30% zunahm.13 Die Statintherapie sollte daher nicht aus Altersgründen gestoppt werden, wenn eine entsprechende Indikation vorliegt.
Eine „Add-on“-Therapie mit Ezetimib ist indiziert, wenn die Behandlungsziele mit Statinen alleine nicht erreicht werden. Wie eine Subgruppenanalyse der IMPROVE-IT-Studie zeigte, profitierten insbesondere Patienten mit DM2 hinsichtlich der CV Risikoreduktion von der Kombinationstherapie mit dem Cholesterin-Reabsorptionshemmer.14
Das Gleiche gilt auch für den Einsatz von PCSK9-Inhibitoren (PCSK9-I): Wie zwei Subanalysen der CV Outcomestudien ODYSSEY und FOURIER mit Alirocumab (Praluent®) resp. Evolocumab (Repatha®) zeigten, konnte das absolute Risiko für ein CV Ereignis bei Patienten mit einer atherosklerotischen Erkrankung und DM2 im Vergleich zu Patienten ohne DM2 um das Zweifache reduziert werden.15, 16 Für die Behandlung mit den beiden PCSK9-I existiert nach wie vor eine Limitatio.
Neue Therapien zur Behandlungder Dyslipidämie
SGLT2-Inhibitoren (SGLT2-I) haben einen positiven Effekt auf den Blutzucker, das Körpergewicht und den Blutdruck. Weniger bekannt ist, dass die Substanzen auch den Fettstoffwechsel auf verschiedene Weise positiv beeinflussen. So verändern die SGLT2-I unter anderem das Lipidprofil, indem sie atherogenes „small-dense“ LDL-C reduzieren.17
Neu zugelassene Wirkstoffe zur Behandlung der Dyslipidämie sind die Bempedoinsäure (Nilemdo® und in Kombination mit Ezetimib Nustendi®) und die „small interfering“ RNA (sRNA) Inclisiran (Leqvio®). Bei der Bempedoinsäure handelt es sich um ein „Prodrug“, das zunächst in der Leber in einen aktiven Metaboliten umgewandelt werden muss. Es greift oberhalb des Wirkungsmechanismus von Statinen in die Cholesterin-Biosynthese ein und hemmt so dessen Bildung. Untersuchungen mit Patienten, die bereits mit der maximal tolerierten Statindosis behandelt wurden, zeigen, dass das LDL-C durch die Zugabe von Bempedoinsäure um weitere ca. 20% reduziert werden kann.18 Durch die Kombination von Bempedoinsäure mit Ezetimib ließ sich das LDL-C um bis zu 38% reduzieren.19 Bempedoinsäure verfügt, wie die Statine auch, über antiinflammatorische und antioxidative Effekte. Wegen einer leichten Zunahme von Gicht in Studien mit Bempedoinsäure sollte bei der Behandlung der Harnsäurespiegel kontrolliert werden.
Inclisiran nutzt den natürlichen Mechanismus der RNA-Interferenz, um die mRNA von PCSK9 zu degradieren und dessen Produktion in der Leber zu verhindern. Durch die Behandlung mit Inclisiran wird eine vergleichbare LDL-C-Reduktion erzielt wie durch die Therapie mit PCSK9-I.20 Im Unterschied zu den PCSK9-I muss Inclisiran jedoch nur alle sechs Monate injiziert werden. Nach der s.c. Injektion mit Inclisiran wurden ähnlich wie bei den PCSK9-I milde bis moderate lokale Reaktionen oder grippeähnliche Beschwerden beobachtet. Für die Behandlung mit Bempedoinsäure und Inclisiran gibt es bis jetzt keine CV Outcomedaten.
Und in Zukunft?
Zu den zukünftigen lipidsenkenden Therapien gehört unter anderem der monoklonale Antikörper Evinacumab, der die Funktion von ANGPTL3 (Angiopoetin-ähnliches Protein-3) inhibiert, das eine wichtige Rolle im Fettstoffwechsel spielt. Dieser führte in Studien bei Patienten mit homozygoter familiärer Hypercholesterinämie zu einer deutlichen Reduktion des LDL-C und hatte darüber hinaus einen positiven Einfluss auf die Triglyzeride.21
Ein weiteres „Target“, dessen Konzentrationen bislang nur durch eine Lipidapherese gesenkt werden konnten, ist das proatherogene und prothrombotische Lipoprotein(a). Eine Reduktion der Lipoprotein(a)-Konzentration von bis zu 25% wurde auch unter der Behandlung mit PCSK9-I oder Inclisiran beobachtet. Neue Medikamente zur Behandlung erhöhter Lipoprotein(a)-Konzentrationen werden untersucht.
Bericht:
Regina Scharf, MPH
Quelle:
„Diabetes Update Refresher“ des Forums für medizinische Fortbildung, vom 4. bis 6. November 2021 in Zürich
Literatur:
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