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Diabetesmanagement im Licht der großen Outcome-Studien
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Mit der Publikation der gemeinsamen Leitlinie der amerikanischen und europäischen Diabetesgesellschaften ADA und EASD kam es zu einem Paradigmenwechsel im Management des Typ-2-Diabetes. Die Wahl der eingesetzten Substanzen erfolgt zunehmend anhand des individuellen kardiovaskulären und renalen Risikoprofils.
Diabetes mellitus Typ 2 entwickelt sich zunehmend zu einem globalen medizinischen Problem von enormem Ausmaß. Die International Diabetes Federation (IDF) schätzt die Zahl der Menschen mit Typ-2-Diabetes weltweit auf 463 Millionen – mit stark steigender Tendenz. Für 2045 erwartet die IDF weltweit 700 Millionen Diabeteskranke.1 Diabetes ist auch ein österreichisches Problem mit 515 000 bis 809 000 geschätzten Erkrankten laut Österreichischem Diabetesbericht 2017. Das entspricht 7 bis 11 % der Gesamtbevölkerung. Dabei wird eine hohe Dunkelziffer angenommen, denn die Zahl der diagnostizierten Fälle liegt zwischen 368 000 und 515 000 – also zwischen 5 und 7 % der Gesamtbevölkerung.2
Adipositas fördert Risiko
Hinter diesen Zahlen steht die zunehmende Prävalenz von Adipositas in Verbindung mit Bewegungsmangel. Insbesondere viszerale Adipositas ist assoziiert mit einem Anstieg proinflammatorischer Zytokine, reduzierter Insulinsensitivität, eingeschränkter Endothelfunktion und erhöhter Thromboseneigung. Diese Faktoren summieren sich zu einem erhöhten kardiovaskulären Risiko. Eine Reduktion des Körpergewichts um 5 bis 10 % bedeutet eine Reduktion des viszeralen Fetts um rund 30 % und beeinflusst die genannten Risikofaktoren günstig.3 Umgekehrt steigt (nach Adjustierung hinsichtlich Alter, Geschlecht und Raucherstatus) mit jeder BMI-Einheit das kardiovaskuläre Risiko um 14 %.4 Und kardiovaskuläre Erkrankungen sind bei Menschen mit Diabetes mellitus die häufigste Todesursache.5, 6
Diabetes mellitus führt seinerseits zu einer Verdoppelung des Risikos kardiovaskulärer Morbidität und Mortalität. Wie viele Lebensjahre durch den Diabetes verloren gehen, hängt von zusätzlichen Risikofaktoren wie Hypertonie oder Hyperlipidämie ab.7, 8
Diabetesremission durch Gewichtsabnahme
Wie viel im Falle des Typ-2-Diabetes mit Gewichtsreduktion erreicht werden kann, zeigte die britische DiRECT-Studie, in der versucht wurde, bei übergewichtigen oder adipösen Patienten mit Typ-2-Diabetes und einer Krankheitsdauer von bis zu sechs Jahren durch radikale Gewichtsabnahme (800 kcal/d in Form von Formula-Diät, gefolgt von kontrollierter Normalisierung der Kost) eine Remission des Typ-2-Diabetes zu erreichen. Dies gelang tatsächlich bei fast der Hälfte der Patienten, wobei erfolgreiche Gewichtsreduktion stark mit Diabetesremission assoziiert war. In der Gruppe mit dem höchsten Gewichtsverlust (mehr als 15 kg) lag die Remissionsrate bei 86 %. Eine so deutliche Gewichtsabnahme wurde allerdings nur bei rund einem Fünftel der Patienten in der Interventionsgruppe erreicht.9
Leider zeigen relativ rezente Daten, dass die Kontrolle der vier wichtigsten kardiovaskulären Risikofaktoren, nämlich Hyperglykämie (HbA1c), Blutdruck, LDL-Cholesterin und Nikotinabstinenz, nur bei weniger als einem Viertel (21,6 %) der Patienten gelingt. Das bedeutet vergebene Chancen, da eine konsequente Kontrolle dieser Risikofaktoren mit einer weitgehenden Normalisierung des Risikos für Myokardinfarkt, Schlaganfall und Tod assoziiert ist.10
Große Endpunktstudien für neue Antidiabetika
Die Auswirkungen der glykämischen Kontrolle auf das makrovaskuläre Risiko standen lange Zeit in Diskussion. So zeigte die UKPDS-Studie durch intensive Blutzuckersenkung zunächst nur eine Reduktion mikrovaskulärer Endpunkte, in einer Langzeitauswertung dann jedoch auch eine Reduktion der Mortalität im Sinne des Legacy-Effekts auf Basis eines positiven Glukose-Gedächtnisses.11 In der ACCORD-Studie jedoch war die intensivere Blutzuckersenkung mit signifikant erhöhter Mortalität assoziiert.12 Dies und Hinweise auf mögliche ungünstige kardiovaskuläre Effekte von Rosiglitazon führten dazu, dass die FDA vor mittlerweile mehr als zehn Jahren für jedes neu auf den Markt gebrachte antihyperglykämische Medikament eine Studie zum kardiovaskulären Outcome verlangt. Diese Studien erwiesen sich mittlerweile als äußert nützlich, da sie wichtige Informationen über einen etwaigen kardiovaskulären und/oder renalen Zusatznutzen der unterschiedlichen Substanzen und Substanzgruppen liefern.
Zu einem Paradigmenwechsel im Management des Typ-2-Diabetes führten die Ergebnisse der EMPA-REG-OUTCOME-Studie, die in einer kardiovaskulär sehr kranken Population durch Einsatz des SGLT-2-Inhibitors Empagliflozin eine von der Blutzuckersenkung unabhängige Reduktion sowohl eines kombinierten kardiovaskulären Endpunkts als auch der Mortalität zeigte. Neben der Mortalität wurde in EMPA-REG OUTCOME auch das Risiko für Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz signifikant reduziert.13
EMPA-REG OUTCOME® war eine multizentrische, randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Langzeitstudie mit 7 020 Patienten mit Typ-2-Diabetes und makrovaskulärer Vorerkrankung aus 42 Ländern, die über die Dauer von 3,1 Jahren beobachtet wurden. Mehr als 97 % der Patienten beendeten die Studie. Empagliflozin wurde in dieser Studie zusätzlich zur Standardtherapie verabreicht, die die Patienten bereits aufgrund ihres Diabetes und/oder ihrer kardiovaskulären Erkrankung erhielten. Dazu gehörten blutzuckersenkende sowie kardiovaskuläre Medikamente (einschließlich Antihypertensiva, Plättchenhemmer und Lipidsenkern). Als primärer Endpunkt wurde der „3-point MACE“ (MACE: „major adverse cardiovascular events“) gewählt, die Zeit bis zum Auftreten von kardiovaskulärem Tod, nicht tödlichem Myokardinfarkt oder nicht tödlichem Schlaganfall.
In EMPA-REG OUTCOME traten bei 772 Teilnehmern Ereignisse des primären Ergebnisparameters auf. Im Rahmen der vordefinierten Analysen wurde am Studienende zunächst statistisch auf Nichtunterlegenheit und dann auf Überlegenheit geprüft. Empagliflozin reduzierte bei Patienten mit Typ-2-Diabetes und makrovaskulärer Vorerkrankung das kombinierte Risiko für kardiovaskulär bedingten Tod, nicht tödliche Myokardinfarkte oder nicht tödliche Schlaganfälle (also den primären Endpunkt „3-point MACE“) signifikant um 14 %. Die Mortalität aus kardiovaskulärer Ursache wurde um 38 % verringert (Abbildung 1). Darüber hinaus konnten durch eine Behandlung mit Empagliflozin das Risiko für Gesamtsterblichkeit um 32 % und das Risiko für Krankenhauseinweisungen wegen Herzinsuffizienz um 35 % verringert werden. Damit ist EMPA-REG OUTCOME® die erste große klinische (und für diese Endpunkte ausgelegte) Studie, in der mit einem Diabetesmedikament eine signifikante Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse und sogar der Mortalität erreicht werden konnte.13
Paradigmenwechsel in den Leitlinien
Die Ergebnisse von EMPA-REG OUTCOME und anderer Endpunktstudien sind mittlerweile in internationale und nationale Leitlinien eingeflossen. Die Version des „Consensus Report“ von ADA und EASD aus dem Jahr 2018 sah vor, dass sich – sofern mit Lebensstilmodifikation und Metformin keine zufriedenstellende glykämische Kontrolle erreicht werden kann – die Eskalation der Therapie am individuellen Risikoprofil des Patienten bzw. an bereits bestehenden Spätschäden und Komorbiditäten orientieren soll.14 Vermieden werden soll „clinical inertia“, also Untätigkeit angesichts suboptimaler HbA1c-Werte. Aus diesem Grund wird eine Evaluation der Einstellung alle drei bis sechs Monate empfohlen.
Für jene ca. 25 % der Patienten mit bei Diagnosestellung bereits bestehender koronarer Herzerkrankung empfahlen EASD und ADA einen SGLT-2-Inhibitor oder einen GLP-1-Rezeptor-Agonisten (GLP-1-RA), jeweils mit nachgewiesenem kardiovaskulärem Benefit. Stehen Herz- oder Niereninsuffizienz im Vordergrund, so ist einem SGLT-2-Inhibitor der Vorzug zu geben, sofern die Nierenfunktion dies zulässt. Bei Patienten ohne bestehende kardiovaskuläre, kardiale oder renale Erkrankung liegt der Schwerpunkt auf der Minimierung des Hypoglykämierisikos. Damit kommen als Add-on zu Metformin vorrangig SGLT-2-Inhibitoren, DPP4-Inhibitoren, GLP-1-Analoga oder Pioglitazon infrage. Dabei haben SGLT-2-Inhibitoren und GLP-1-RA den Vorteil, dass sie zur Gewichtsreduktion führen können und darüber hinaus nephroprotektiv sind. 14
Auch die Österreichische Diabetes Gesellschaft (ÖDG) empfiehlt in ihren Praxisleitlinien (2019) Metformin als initiale Monotherapie vor für alle Patienten, sofern das HbA1c bei Diagnosestellung unter 9 % liegt.15 Wird nach drei bis sechs Monaten das HbA1c-Ziel nicht erreicht, so wird die Eskalation der Therapie durch eine weitere Substanz empfohlen. Dabei gilt das gleiche Schema wie in der ADA/EASD-Leitlinie: Bei kardiovaskulärer Erkrankung soll ein SGLT-2-Inhibitor oder ein GLP-1-RA, jeweils mit kardiovaskulärem Benefit, gewählt werden, bei Herz- oder Niereninsuffizienz ein SGLT-2-Inhibitor mit nachgewiesenem Effekt auf Nephropathie und/oder Herzinsuffizienz. Für die Wahl dieser Substanz listet die ÖDG tabellarisch die verfügbaren Antidiabetika mit ihren nachgewiesenen Vor- und Nachteilen. Für Patienten ohne kardiale oder renale Erkrankung werden Therapien mit Substanzen mit niedrigem Hypoglykämierisiko empfohlen. Die ÖDG nennt hier SGLT-2-Inhibitoren, DPP4-Inhibitoren, GLP-1-Analoga oder Pioglitazon.15
Die europäische Kardiologengesellschaft ESC geht in ihren aktuellen Empfehlungen (2019) noch einen Schritt weiter als ADA und EASD und entzieht Metformin bei Ersteinstellung neu diagnostizierter Diabetiker mit hohem oder sehr hohem kardiovaskulärem Risiko den Status einer First-Line-Therapie. Laut ESC hat die überwiegende Mehrheit der Patienten mit Typ-2-Diabetes zumindest einen Hochrisikostatus. Moderates Risiko besteht nur bei Patienten unter 50 Jahren, mit weniger als zehn Jahren Diabetesdauer und keinen zusätzlichen Risikofaktoren. Bei der Ersteinstellung von Patienten mit hohem oder sehr hohem Risiko ist zukünftig laut ESC einer Monotherapie mit einem SGLT-2-Inhibitor oder einem GLP-1-Rezeptoragonisten der Vorzug zu geben. Speziell Empagliflozin und Liraglutid werden für Patienten mit prävalenter kardiovaskulärer Erkrankung empfohlen, um deren Mortalitätsrisiko zu senken.16
Anfang 2020 wurde neben einem Update der ADA/EASD-Leitlinie auch ein Online-Update der ÖDG-Praxisleitlinien (Abbildung 2) publiziert, das einen Schritt in Richtung der ESC-Guideline geht. Nun wird empfohlen, bei Patienten mit kardiovaskulärer oder renaler Erkrankung, hohem kardiovaskulärem Risiko oder einer bestehenden Herzinsuffizienz bereits initial und unabhängig vom HbA1c bereits eine Kombinationstherapie in Erwägung zu ziehen bzw. die Behandlung mit SGLT2-Hemmern oder GLP1-Analoga „rasch in Ergänzung zu einer Metformintherapie“ zu beginnen. Konkret wird ein GLP-1-Analogon oder ein SGLT-2-Inhibitor empfohlen, wenn die atherosklerotische Herzerkrankung im Vordergrund steht. Bei Vorhandensein einer Herzinsuffizienz oder Nierenerkrankung soll ein SGLT-2-Inhibitor zum Einsatz kommen.17, 18
Literatur:
IDF Diabetes Atlas, 9th Edition, 2019, www.idf.org/diabetesatlas; Zugriff 12. September 2020
Österreichischer Diabetesbericht, https://jasmin.goeg.at/327/
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Österreichische Diabetes Gesellschaft: Antihyperglykämische Therapie bei Diabetes mellitus Typ 2 – Update April / 2020. Abrufbar unter https://www.oedg.at/pdf/2004- leitlinien-update.pdf