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„Serious Moral Games“

Spielend Ethik trainieren

Abb. 1: Vorteile von „Serious Moral Games“ (modifiziert nach Christen M, Katsarov J, 2018) 2

Digitale Spiele im medizinischen Ethiktraining

Zu den ethischen Schlüsselkompetenzen, über die Angehörige der Gesundheitsberufe verfügen sollten, gehört die Fähigkeit, moralische Probleme im klinischen Alltag zu erkennen und in der Praxis angemessen zu lösen, einschließlich der Fähigkeit, die Auswirkungen von institutionalisierten Interessenkonflikten und fehlenden Ressourcen zu erkennen.

In der gegenwärtigen (medizinischen) Ethikausbildung wird eine Vielzahl von Methoden eingesetzt. Verbreitete Methoden sind ethische Fallbesprechungen anhand kurzer schriftlicher Vignetten, Rollenspiele sowie der Einsatz von Simulationspatient*innen. Durch digitale Spiele kann die Qualität des medizinischen Ethiktrainings weiter verbessert werden. „Serious Moral Games“ (SMG), d.h. digitale Spiele zur Förderung der moralischen Entwicklung,bieten hier vielfältige Vorteile (Abb.1).1

So können mithilfe von SMG komplexe Situationen simuliert, verschiedene Verhaltensweisen ausprobiert werden, es kann sowohl sofortiges als auch verzögertes Feedback gegeben werden und die Spielenden können für relevante Themen sensibilisiert werden. Darüber hinaus bieten SMG eine sichere Umgebung für Lernende, um zu experimentieren, zu scheitern, erneute Versuche zu unternehmen und ihr Verhalten zu optimieren. Auf diese Weise können die vier wesentlichen Aspekte Motivation, Erfahrung, Schutz und Repetition besonders gut umgesetzt werden.

© T. Eichinger

Abb. 2: Screenshot aus dem „Serious Moral Game“ „uMed: Your Choice“

Digitales Rollenspiel „uMed: Your Choice“

„uMed: Your Choice“ ist ein dialogbasiertes Rollenspiel, in dem die Spielenden sich durch die Wahl von schriftlichen Dialogoptionen in einer grafisch zweidimensional und als Abfolge statischer Bilder gestalteten Krankenhausumgebung bewegen (Abb.2). Inhaltlich umfasst das Spiel drei Patientenfälle, mit denen die Spielenden konfrontiert werden.

Lernziele des Trainings

Das Ziel von „uMed: Your Choice“ ist es, folgende fünf Lernergebnisse zu erreichen, die meist innerhalb des engen Curriculums, das für die medizinische Ausbildung typisch ist, schwer zu schaffen sind:

  • Empathische Anteilnahme für relevante Gruppen

  • Bewusstsein für die eigene Anfälligkeit für Vorurteile und Stress

  • Entwicklung moralischer Schemata und Skripte

  • Sensitivität für moralische Distanz

  • Fähigkeit, ethische Fragen anzusprechen

Ausgewählte Spielmechanismen

Um die gewünschten Lernergebnisse zu fördern, werden bei „uMed: Your Choice“ mehrere Spielmechanismen eingesetzt:

Personalisierung und Realismus

Um den Transfer des Gelernten (Wissen, Fähigkeiten etc.) in die jeweilige Praxis zu erleichtern, wurde die Handlung in einem relativ realistischen Umfeld angesiedelt. Die Spielenden schlüpfen in die Rolle frischgebackener Absolvent*innen des Medizinstudiums, deren Assistenzarztzeit in einem regionalen Krankenhaus beginnt. So soll die Motivation der Lernenden gefördert werden, sich auf das Spiel einzulassen und ihre Erfahrungen damit zu reflektieren.

Vergabe von Punkten

Die Spielenden erhalten innerhalb der Spielhandlung Feedback zu drei Aspekten ihres Verhaltens. Im Verlauf des Spiels können Empathie-, Integritäts- und Effizienzpunkte gesammelt oder verloren werden (Tab. 1). Die Punktezahl in diesen drei Kategorien, die sich auf kontaktfreudiges, mutiges und effizientes Handeln der Spielfigur beziehen, ist für die abschließende Bewertung ausschlaggebend. Dabei ist zentral, dass diese drei Kategorien unterschiedliche Werte und Erwartungen repräsentieren, die immer wieder in Konflikt geraten können, wodurch Abwägungen und Entscheidungen erforderlich werden.

Das Hauptziel ist jedoch, die Lernenden dafür zu sensibilisieren, dass Wertekonflikte Teil der medizinischen Praxis sind.

Entscheidungen und Konsequenzen

Jeder Fall stellt ein Szenario mit einem Patienten/einer Patientin, Angehörigen (falls vorhanden) und anderen Mitgliedern des medizinischen Teams dar. Die Spielenden interagieren mit diesen nicht spielbaren Charakteren, indem sie aus verschiedenen Dialogoptionen auswählen. Abhängig von diesen Entscheidungen entwickelt sich das Szenario auf unterschiedliche Art und Weise. So konfrontiert jeder Fall die Spielenden mit aktuellen Problemen der biomedizinischen Ethik. Ziel ist es dabei, für die praktische Relevanz ethischer und kommunikativer Fähigkeiten zu sensibilisieren und im spielerischen Rahmen Fälle zum Experimentieren anzubieten.

Die Spielenden werden im Laufe des Spiels mit verschiedenen kritischen Vorfällen und Entscheidungen konfrontiert. Dabei erleben sie Interessenkonflikte, die entweder subtil oder offensichtlich sindund auf einerpersönlichen und/oder institutionellen Ebeneangesiedelt sind.

Abschließendes Feedback

Am Ende eines jeden Falles erfahren die Spielenden in einem persönlichen Entwicklungsgespräch mit der leitenden Ärztin und der Pflegeleitung, wie sich das Szenario entwickelt hat. Je nachdem, wie viele Punkte der verschiedenen Kategorien die Spielenden gesammelt haben, gibt es auch eine Reihe von Trophäen zu gewinnen. Dies soll den Spielenden aufzeigen, wann ihr Handeln besonders erfolgreich war, soziale Vergleiche ermöglichen und zum wiederholten Spielen motivieren.

Erste praktische Erfahrungen

Die bisherigen Erfahrungen mit „uMed: Your Choice“ im Pflichtcurriculum des Medizinstudiums an der Universität Zürich zeigen, dass die Verwendung des Spiels in der Ethiklehre sowohl von den Lehrpersonen als auch den Studierenden als überwiegend attraktiv und bereichernd erlebt wurde. Außerdem haben Studien, die die Wirksamkeit des Spiels sowohl unter Alltagsbedingungen des regulären Lehrbetriebs als auch unter experimentellen Bedingungen untersucht haben, positive Effekte gezeigt.

Dabei ist es entscheidend, zu betonen, dass „uMed: Your Choice“ ein „Serious Moral Game“ ist, das seinen vollen ethisch-didaktischen Wert in der Verschränkung aus Selbststudium (Spielen) und gemeinsamer Diskussion entfaltet. Das in didaktischer Hinsicht Wesentliche geschieht in der Konfrontation und Reflexion der Spielerfahrungen verschiedener Studierender, dem Austausch mit Lehr- oder anderen Fachpersonen im Präsenzunterricht.3

Literatur

  1. Christen M et al.: Serious Moral Games. Analyzing and engaging moral values through video games. Zürich: Edition ZHdK, 2013

  2. Christen M, Katsarov J: Serious Moral Games – Videospiele als Werkzeuge der Ethikbildung. In: Junge T, Schumacher C: Digitale Spiele im Diskurs. Hagen: FernUniversität Hagen, 2018. 1-12

  3. Michl S et al.: Ethik mit Abstand – Tipps und Tools zum digitalen Training ethischer Kompetenzen. GMS Z Med Ausbild 2021; 38(1)

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